: „Wir kämpfen für eine Grundsicherung“
SPORTPOLITIK Beim Sport darf nicht mehr gespart werden, sagt Klaus Böger, Chef des Landessportbunds
■ Der 63-Jährige wurde am 5. Juni zum neuen Präsidenten des Landessportbunds Berlin gewählt. Der ehemalige Sportsenator wird nun die Interessen von rund 2.000 Berliner Sportvereinen vertreten.
taz: Herr Böger, bis vor drei Jahren waren Sie der Ansprechpartner des Sports im Senat. Jetzt müssen Sie als Lobbyist die Sportinteressen gegenüber dem Senat vertreten. Ändert das was im Verhältnis von Politik und Sport?
Klaus Böger: Ich denke, nicht direkt. Wie schon zu meiner Zeit als Senator würde ich auch heute noch von einer kooperativ-kritischen Beziehung sprechen, die der Sport und die Stadt haben und die gut funktioniert. Im Senat wissen alle um die große Bedeutung des Sports und des Landessportbundes. Das schließt zwar einzelne Konflikte nicht aus. Aber es ist bestimmt kein Kriegszustand, in dem wir uns befinden.
Wo orten Sie die Spannungsfelder von Sport und Politik?
Das Land Berlin hat die Interessen des Landes zu sehen und ganz besonders die Situation der Gesamtfinanzierung. Wir haben jedoch zurückgehende Einnahmen und sind nicht in der Lage, allein damit fertig zu werden. Die Vereine können ja zum Beispiel ein Stadtteil-Sportprojekt nicht einmal mühsam anlaufen lassen und dann, wenn das Geld knapp wird, sofort wieder einstellen. Im Sport ist kein Sparpotenzial mehr vorhanden. Wir kämpfen für eine Grundsicherung des Sports in dieser Stadt in Zeiten knapper Kassen.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer Präsidentschaft?
Um nur einen zu nennen: Der Sport muss in die Ganztagsschulen organisatorisch integriert werden. Über die drei Sportstunden pro Woche sind wir froh, aber Sportangebote sollen fester Teil der nachmittäglichen Betreuung sein. Das sehen wir nicht nur als einen Beitrag zur Bewegungserziehung, sondern auch als Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Der Sport ist sicher keine Wunderwaffe, aber er kann viele Probleme von Jugendlichen mit der Gesellschaft ausgleichen.
Wie schätzen Sie die Situation der Sportstätten in Berlin ein?
Für den Breitensport im besten Fall leider gerade ausreichend. Sportstätten sind Teil der städtischen Infrastruktur und müssen auf hohem Niveau erhalten werden. Der Sport leistet viel, hat aber auch berechtigte Ansprüche.
Der oft ausgezeichnete Vorzeigeverein Türkiyemspor hat überhaupt keine Sportstätte.
Ohne Frage eine merkwürdige Geschichte. Ausgerechnet im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, in dem über Jahre für Integration und Ausländerwahlrecht gekämpft wurde, muss man nun feststellen, dass einem Verein wie Türkiyemspor die zentrale Heimstätte fehlt. Da muss doch etwas nicht richtig funktioniert haben. Diese missliche Lage hat aber nicht der organisierte Sport zu verantworten, sondern der Bezirk. Wir werden Türkiyemspor gemeinsam mit dem Fußballverband Berlin voll unterstützen.
Oft hat man den Eindruck, dass der Sport seine gesellschaftliche Kraft nicht richtig ausspielen kann. Woran liegt das?
Der Sport muss sich manchmal seiner enormen Bedeutung erst selber bewusst werden. Wir haben einen hohen Organisationsgrad, steigende Mitgliederzahlen, aber an der Konfliktfähigkeit hapert es hin und wieder. Wenn wir sagen würden, wir machen alle keinen Sport mehr, dann brächte das nicht viel. Wir sind ja keine Fluglotsen, die mit einem Streik ein ganzes System zum Stillstand bringen können.
Was halten Sie von einer Berliner Olympiabewerbung?
Berlin ist Deutschlands Sportstadt Nummer eins. In der Welt liegt nur noch Melbourne vor uns. Die Stadt Berlin hat als Sport- und Sportveranstaltungsort international einen exzellenten Ruf. Das ist ein Pfund, mit dem man auftrumpfen kann. INTERVIEW: TORSTEN HASELBAUER