: Brötchen vom Vortag
KARSTADT Nicht erst seit der Wirtschaftskrise ist Karstadt in Schieflage geraten. Zu altbacken und zu teuer, meinen junge Konsumentinnen und shoppen im Fachmarkt
SAKTAN, 15
VON JAN MOHNHAUPT UND BERND SKISCHALLY
Bei Karstadt in Berlin-Charlottenburg scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Laden ist fast beängstigend ruhig, außer dem unaufhörlichen Rauschen der Rolltreppe hört man nichts. Um die Treppe herum drängen sich wuchtige Aktionsstände und gläserne Vitrinen. Alles ist ordentlich gestapelt, zurechtgelegt und hergerichtet. Doch es gibt keine Dekoration, keinen Schnickschnack. Es wirkt altbacken.
Das gilt auch für die Juwelierabteilung. Die Werbung verspricht „Schmuck mit Tradition“. Das soll wohl für bleibende Werte stehen, doch der Anblick erinnert eher an Brötchen vom Vortag. Im fünften Stock der Filiale werden reduzierte Haushaltgeräte feilgeboten. Außerdem ist hier ein Café und der Finanz-Service von Karstadt-Quelle. Doch niemand möchte in der engen beigen Sitzecke vor der orangefarbenen Tapete Platz nehmen, um „Privat-Patient beim Zahnarzt“ zu werden oder eine „Versicherung für Waschmaschinen-Ausmach-Vergesserinnen“ abzuschließen. Junge Menschen sucht man hier vergeblich.
Einige Meter die Wilmersdorfer Straße hinunter schlendern Alexandra, 14, und Cansu, 13, durch die Kelleretage eines Media-Marktes. Sie kennen sich hier aus und ignorieren routiniert die Schnäppchenpaletten, das Regalspalier mit verschiedenen Kaffeemaschinen und die 18 Meter lange Wand aus Tintenpatronen. Während sich andere zu seichter Popmusik Staubsauger aussuchen, wollen die Mädchen zur Fan-Edition der Kinofassung von „Twilight“. An einer Theke warten sie schon zu Dutzenden, die Packungen mit den hübschen Teenie-Vampiren. Die Augen der beiden glitzern, sie reichen sich die DVD der Begierde kurz hin und her, dann geht es zurück. Immer den weißen Pfeile nach zu den Kassen. Hätten sie nicht auch bei Karstadt einkaufen können? „Da kostet der Film zehn Euro mehr“, weiß Alexandra. Sie war kürzlich mit ihren Eltern dort.
Nicht erst seit der Wirtschaftskrise scheint das Warenhauskonzept überholt. Junge Kunden geben ihr Geld schon lange lieber bei Fachmärkten und in Einkaufszentren aus. „Schöner shoppen in der Stadt“, wirbt Karstadt und kommt mit dem breiten Warensortiment und dem guten Service bei älteren Kundinnen noch an. „Aus der Mode gekommen“, urteilt dagegen Timmy Wickert, als er mit einer Spielekonsole in der Tüte aus dem Media Markt auf die Wilmersdorfer Straße tritt. „Die Leute sind alle beeinflussbar. Media Markt macht massiv Werbung und Aktionen. Ob das dann wirklich alles so billig ist, zählt, glaube ich, nicht so“, sagt der 26-jährige Tischler. Den Preis der Konsole hat der deshalb auch bei Karstadt nachgeschaut. „Ich dachte, die haben gerade Ausverkauf.“
Auch der 15-jährige Saktan findet Karstadt wenig attraktiv: „Ich gehe lieber zu Media Markt oder Saturn, weil mir die Musik, die da läuft, gut gefällt. Bei Karstadt kaufe ich nur Klamotten.“ Dennoch ist nicht allen jungen Konsumentinnen die Zukunft des Traditionshauses egal: „Ich will nicht, dass Karstadt zumacht, sonst kommt irgendein Schrottladen hier hin“, befürchtet der 13-jährige Mehmet. Dann schlendert er weiter – von der Konsumvergangenheit in die Gegenwart der Einzelhandelsketten auf der anderen Straßenseite.