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Archiv-Artikel

Keiner singt Stoibers Lied mit

Mit dem Vorwurf, der Kanzler sei schuld am Zulauf zur NPD, steht der CSU-Chef recht allein da: Viel Kritik aus den Regierungsfraktionen, wenig Zustimmung aus der Union

BERLIN dpa/ap/epd ■ Nach seinen Schuldzuweisungen gegen den Kanzler wegen des Erstarkens der NPD steht CSU-Chef Edmund Stoiber unter Beschuss. Selbst in der Union mochte ihm niemand direkt beipflichten. In einem Interview hatte Stoiber gesagt: „Das ökonomische Versagen der Regierung Schröder, dieses Ausmaß an Arbeitslosigkeit, bildet den Nährboden für Extremisten.“ Die Massenarbeitslosigkeit sei „Hauptursache für das Wiedererstarken der NPD“.

Regierungssprecher Béla Anda warf Stoiber vor, mit „billiger Parteitaktik“ Kapital aus der Debatte über ein Eindämmen der NPD schlagen zu wollen. Die Demo gegen rechts am 8. Mai am Brandenburger Tor sei deshalb nicht gefährdet. Es werde ein möglichst breites Bündnis angestrebt, so Anda.

Grünen-Fraktionschefin Krista Sager hielt Stoiber vor, seine Argumentation sei „verharmlosend und unverantwortlich, weil er damit die Neonazis von der Täter- in die Opferrolle schiebt“. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer meinte, wenn der CSU-Chef einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Rechtsextremismus herstelle, serviere er Argumente und Ausreden für die NPD auf dem Silbertablett. Damit werde der Eindruck erweckt, man müsse Nachsehen mit Rechtsextremen und deren Wählern haben. Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) nannte Vergleiche mit der Weimarer Zeit in der ARD „hirnrissig“. Innenminister Otto Schily sagte: „Solche Schuldzuweisungen sind aus der untersten Schublade. Die sollte besser geschlossen bleiben.“

Schleswig-Holsteins CDU-Chef Peter Harry Carstensen warnte davor, in der Debatte über die Arbeitslosigkeit die NPD hochzureden. Diese Gefahr bestehe, wenn man das Problem mit Schuldzuweisungen verbinde. Er halte es auch für falsch, einen Zusammenhang mit der Weimarer Republik herzustellen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach wies indes auf den Zusammenhang zwischen Wählern rechter Parteien und ihrer wirtschaftlichen Situation hin. CDU-Chefin Angela Merkel hatte in der ARD gesagt: „Ungelöste politische Probleme wie die Arbeitslosigkeit stärken immer die Extremen.“ Der Rheinland-Pfälzer CDU-Vorsitzende Christoph Böhr stützte im Grundsatz die umstrittene These Stoibers. Die Innenexperten Hartmut Koschyk (CDU) und Thomas Strobl (CSU) kritisierten die geplanten Maßnahmen von Rot-Grün als unzureichend: „Der Kampf gegen die NPD ist nicht zu gewinnen, wenn einem nicht mehr einfällt als der Aufruf zu einer Anti-NPD-Kundgebung.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, warnte vor Vereinfachungen. Der Leipziger Volkszeitung sagte er, die Ursachen für Rechtsradikalismus seien vielfältig. „Sie aber nur auf einen wirtschaftlichen Aspekt zu reduzieren entspricht nicht den Tatsachen und Erfahrungen.“

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