Revierbewohner wieder Türken

Weil sie zwei Pässe besitzen, verlieren bis zu 10.000 eingebürgerte Türken im Ruhrgebiet ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Die Türkische Gemeinde hofft vergeblich auf eine Amnestie

VON NATALIE WIESMANN

Mehreren tausend Deutschtürken im Ruhrgebiet droht der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft. Sie haben nach ihrer Einbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit wieder beantragt. Doch das im Jahr 2000 in Kraft getretene Staatsbürgerschaftsrecht besagt: Wenn ein Deutscher eine neue Staatsbürgerschaft erlangt, verliert er automatisch seinen deutschen Pass. Das Bundesinnenministerium (BMI) spricht von 10.000 Betroffenen bundesweit, nach Einschätzungen der Türkischen Gemeinde Rhein-Ruhr (TGRR) sind es alleine im Ruhrgebiet 8.000 bis 10.000 Deutschtürken, die den deutschen Pass verloren haben oder noch verlieren werden.

„Man kann diesen Leuten nicht die Staatsangehörigkeit entziehen“, entrüstet sich Mustafa Okur, Vorsitzender der TGRR. Viele der Doppelstaatler hätten von den Konsequenzen nichts gewusst. Vor allem nicht diejenigen, die zwischen 1997 und 2000 den türkischen Pass neu beantragt und ihn erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes erhalten hätten – diese Gruppe macht nach Angaben des BMI den größten Teil der illegalen Mehrstaatler aus. Okur appelliert an die Bundesregierung, für die von der Ausbürgerung bedrohten MigrantInnen eine Sonderregelung zu finden. „Sie sollten wenigstens die Möglichkeit bekommen, sich jetzt für einen von beiden Pässen zu entscheiden“, so Okur.

Dass viele seiner türkischen Landsleute zurzeit wieder ausgebürgert werden, ist Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländervertretungen bekannt: „Das Thema ist jetzt aufgekommen, weil für die im Jahr 2000 Eingebürgerten die Passverlängerung ansteht.“ Ob diese wissentlich oder unwissentlich gegen das Gesetz verstoßen hätten, sei nicht der Punkt: „Das neue Staatsbürgerschaftsrecht geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.“ Und die Türken würden unfair behandelt: „EU-Bürger und Kinder aus binationalen Ehen können zwei Pässe haben.“

„Das türkische Konsulat hat die Leute verarscht“, sagt ein eingebürgerter Türke, der namentlich nicht genannt werden will. Die Mitarbeiter der Konsulate würden versuchen, die Zahl der Türken zu erhöhen, ohne dass sie die Antragsteller auf die rechtlichen Konsequenzen aufmerksam machten.

Aber die Politik bleibt hart gegenüber den illegalen Doppelstaatlern. „Eine Amnestie kann es nicht geben“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Innenministeriums. Die Ausgebürgerten erhielten erst einmal wieder eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Mindestens drei Jahre müssten sie dann warten, bis sie sich für die deutsche Staatsbürgerschaft erneut bewerben können.