: Kanzler zeigt Scherf die kalte Schulter
Nach dem Kanzlergespräch hat Bürgermeister Henning Scherf (SPD) im Koalitionsausschuss eine „Gemeinsame Erklärung“ über die Ergebnisse verteilt. Das Kanzleramt aber dementiert: Diese „gemeinsame Erklärung“ ist kein „gemeinsames“ Papier
Bremen taz ■ Am 26. Januar ist Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) nach Berlin zu dem mehrfach verschobenen abschließenden Gespräch über die Sanierungshilfe für Bremen und die Zusagen aus dem „Kanzlerbrief“ gefahren. Am Tag darauf hat er sich in einem Brief an den Bundeskanzler ordentlich bedankt für das „faire Entgegenkommen“ des Kanzlers „in Umsetzung Deiner Ankündigung in dem hier sog. Kanzlerbrief aus dem Jahre 2000“ und versichert, dass er das Ergebnis „hier vertreten werde – gerade gegenüber den ursprünglichen Maximalvorstellungen der Bremer Seite“. Was das Ergebnis genau ist, darüber darf man seitdem rätseln.
Am 28. Januar verteilte Scherf in dem sechsköpfigen Spitzengremium der großen Koalition, dem so genannten Koalitionsausschuss, ein dreiseitiges Papier mit dem Titel „Gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers und des Bremer Bürgermeisters“. Nicht einmal den Mitgliedern des Senats hat Scherf die brisanten Unterlagen, die der taz vorliegen (www.mehr-dazu.de), bisher zugänglich gemacht. Der Haushalts- und Finanzausschuss des Parlaments, der in neun Tagen die Folgen der fatalen Fehleinschätzung des Kanzlerbriefes im Hinblick auf die Korrektur des Haushaltsplanes 2005 und die Haushaltsentwürfe 2006 und 2007 beraten soll, hat bisher keinerlei offizielle Information.
Aus einem Brief Scherfs geht hervor – und das kann eigentlich nur der 6-köpfige Koalitionsausschuss wissen – dass es sich bei der am 28.1. verteilten „Gemeinsamen Erklärung“ keineswegs um eine abgestimmte gemeinsame Erklärung über die Gesprächsergebnisse des 26.1. handelt, sondern um einen Entwurf der Bremer Seite. „Ich bitte Dich wenn möglich die vorstehende Wiedergabe unserer Verständigung noch einmal kurzfristig gegenlesen zu lassen und mir durch Deinen Beauftragten das Einverständnis mitteilen zu lassen“, heißt es da.
Wer zehn Tage später im Bremer Rathaus nachfragt, ob der Bundeskanzler mit der von Scherf vorgeschlagenen „Wiedergabe unserer Verständigung“ einverstanden ist, kann sich nur wundern. Der Kanzlerbrief nämlich war immer Chefsache des Rathauses gewesen. Jetzt dagegen beschränkt sich die – gut vorbereitete – offizielle Auskunft von dort auf einen knappen Satz: „Für uns ist das Thema erledigt.“ Wieso? Was heißt das? „Kein weiterer Kommentar“, sagt Senatssprecher Klaus-Hubert Fugger.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen weiß von nichts. Auch der SPD-Landesvorsitzende Carsten Sieling ist in den vergangenen zehn Tagen nicht darüber informiert worden, dass es da Probleme geben könnte und die angebliche vertrauliche „Gemeinsame Erklärung“, die Scherf verteilt hatte, nur Wunschdenken der Bremer Seite gewesen sein könnte. Die Mitglieder des Senats konnten nicht nachfragen, weil sie die Dokumente gar nicht bekommen hatten. Und der Koalitionspartner CDU? „Wir hatten keinen Grund, nachzufragen“, sagt der CDU-Sprecher. Dass die angebliche „gemeinsame Erklärung“ gar keine gemeinsame Erklärung ist, ist hier niemandem gesagt worden: „Wir haben da keine Informationen.“
Das Bundespresseamt in Berlin dagegen behandelt die Bremer Gespräche nicht als geheime Kommandosache. Ergebnis der Unterredung mit dem Bremer Bürgermeister? Klar, sagt die Sprecherin, „die gemeinsame Erklärung kann ich Ihnen vorlesen“. Zwei Sätze, fertig. Tenor: Die „Zusagen des Schreiben des Bundeskanzlers vom Juli 2000“ sind durch die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs eingelöst. „Der Bund ist zudem mit den bisher geleisteten Sanierungshilfen für die Sanierung des Landeshaushaltes bis einschließlich 2004 seiner bundesstaatlichen Verantwortung gerecht geworden.“ Ende. Mehr war da nicht.
Im Klartext bedeutet das: Wer auf Grundlage des Schreibens des Bundeskanzlers vom Juli 2000 satte 549 Millionen Euro Sanierungshilfe allein für das Jahr 2005 in den Haushalt eingebucht hat, muss besoffen gewesen sein. Das haben Kanzler und Bremer Bürgermeister am 26.1. gemeinsam festgestellt. kawe