: „Keine Angst davor, Opposition zu sein“
PDS-Fraktionschef Stefan Liebich will Rot-Rot auch über 2006 hinaus fortsetzen – allerdings nicht um jeden Preis
taz: Herr Liebich, eine neue Studie zieht ein positives Fazit der PDS-Regierungsbeteiligung. Wie hilft Ihnen das?
Stefan Liebich: Dadurch, dass die Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung entstand, hilft uns das zuallererst in der innerparteilichen Debatte. Regierungsbeteiligungen werden in der PDS generell, insbesonders aber mit Blick auf Berlin, kontrovers diskutiert, und aus der Stiftung heraus sind wir immer sehr kritisch betrachtet worden.
Überzeugt das die schärfsten Kritiker in Ihrer Partei?
Wer zur Debatte bereit ist, wird sich mit dieser Studie auseinander setzen. Wer sein Urteil sowieso schon gefällt hat, den wird man mit keiner Studie der Welt irgendwie beeindrucken können.
Gutes Feedback hin oder her: Bei der Bundestagswahl 2006 wird das Schicksal der PDS maßgeblich davon abhängen, ob Gregor Gysi kandidiert – und nicht von Ihrer Regierungsarbeit. Ärgert Sie das?
Nicht mehr. Früher war ich da empfindlicher. Beim Wahlkampf 2001 haben wir mit Harald Wolf, Carola Freundl und Petra Pau ganz viel selbst auf die Beine gestellt. Das ist alles dramatisch überlagert worden von der Person Gregor Gysi. Aber mittlerweile sehe ich das nur noch als einen Vorteil: Einen Politiker seines Kalibers würden auch andere Parteien sofort mit Handkuss nehmen. Es ist ja nicht so, dass er gegen uns arbeitet. Ich wäre froh, wenn er im Bundestagswahlkampf für die PDS aktiv wird.
Wird er das trotz seiner angeschlagenen Gesundheit tun?
Das ist wirklich offen. Wann immer ich mit ihm gesprochen habe, hat er gesagt, er kann sich jetzt nicht entscheiden. Das verstehe ich auch, und da ist mir der Mensch Gregor Gysi wichtiger als der Politiker. Ohne ihn ist es für uns ein bisschen schwerer, aber das kriegen wir auch hin.
Harald Wolf hat sich für die PDS darauf festgelegt, über 2006 hinaus mit der SPD zu koalieren. Die Reaktion der SPD erinnert an ein „Schau mer mal“. Da müssen Sie sich doch bittstellerisch vorkommen.
Harald Wolf hat nicht gesagt, dass wir auf jeden Fall mit der SPD regieren wollen. Er hat gesagt: So wie es bisher läuft, spricht viel dafür. Das sehe ich auch so. Ich bin mir aber nicht sicher, dass die SPD das durchhält – weil die durchaus dafür anfällig ist, in Vorwahlzeiten in die Populismuskiste zu greifen oder sinnlose Scharmützel mit dem Koalitionspartner zu führen.
Fordern Sie denn kein Bekenntnis der SPD zu Rot-Rot?
In unserem Verhältnis hat sich doch schon viel verändert. Früher hieß es bei der SPD: Nie mit der PDS. Inzwischen wird doch deutlich, dass Aversion gegen die PDS durch die gemeinsame Arbeit einer gegenseitigen Sympathie gewichen ist. Die SPD hält sich natürlich alle Optionen offen. Das ist sinnvoll, das würden wir auch so machen vor Wahlen.
Eine Option sind die Grünen, die sich die SPD auch als Partner wünschen. So eine Koalition würde es der SPD wegen der zeitgleichen Wahlen in Land und Bund einfacher machen: Da könnte sie auf beiden Ebenen für Rot-Grün werben.
Es ist für mich fraglich, ob es für die SPD wirklich leichter würde. Ich treffe ausgesprochen selten Leute in der SPD, die Rot-Grün für die bessere Variante halten. Die Grünen unterscheiden sich dadurch von uns, dass sie unbedingt regieren wollen …
… und Sie nicht? Das nimmt Ihnen doch keiner ab.
Bei mir im Büro findet sich dazu ein alter Wahlkampfspruch: Alle wollen regieren, wir wollen verändern.
Was dummerweise nur in der Regierung geht.
Der Spruch bezieht sich darauf, dass man regieren sollte, wenn man etwas verändern kann – und nicht um des Regierens willen. Man kann auch in der Opposition verändern. Ich habe keine Angst davor, Oppositionspartei zu sein.
INTERVIEW: STEFAN ALBERTI