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Archiv-Artikel

Das Markt-Modell

Sie hat keine schlechten Erfahrungen gemacht. Keine Anmache,keine Verachtung

AUS BERLIN WALTRAUD SCHWAB

Sie würde es wieder tun. Danijela Ozinger sagt es salopp, während sie in einer Kiste im untersten Regal im Media Markt in Spandau, Abteilung Telekommunikation, nach einem Handy-Akku sucht. Ein drei Jahre altes Handy ist es – ein ausgelistetes, wie in Verkaufskreisen gesagt wird. Eins, das ausgedient hat, uncool und out ist: das Styling altmodisch, die Maße viel zu opulent. Die Verkäuferin sucht vergebens. Das Ersatzteil ist nicht mehr zu haben. Ozinger richtet sich auf, ihr schwarzer Pony reicht bis an ihre dunklen Augen. „Ich würd es wieder tun. Sogar für umsonst“, sagt sie. Was? – Sich im Playboy ablichten lassen! „Einmal eine andere sein.“

Danijela Ozinger hat Anmut. Wenn sie sich bewegt, wirkt es, als schmiege sich die Luft an ihren Körper. „Ich wusste immer, dass ich gut aussehen möchte.“ Sie sagt es auf eine Weise, als klaffe eine Lücke zwischen ihren Wünschen und der Wirklichkeit.

Jetzt aber hat sie den Beweis, dass sie das Zeug dazu hat. „Playboy sucht die hübscheste Media-Markt-Mitarbeiterin“, stand auf dem Plakat, das im letzten Herbst bei ihr auf der Arbeit im Umkleideraum hing. Sie hat ihre Fotos hingeschickt. 200 andere Frauen auch. Allein aus ihrer Filiale waren es vier. „Haste schon was von denen gehört? – Wie man eben so redet.“ Man dürfe sich da nicht so sicher sein, sich nicht darauf versteifen. „Es gibt so viele schöne Mädchen“, sagt Ozinger.

Am Ende ist sie ausgewählt worden. Zuerst war sie eine von 30. Da stieg die Spannung bereits. Dann war sie unter den letzten zehn. Wahnsinnig sei das Gefühl zu wissen, man ist es. Ist was Besonderes. Ihre Freunde, ihre Freundinnen hatten es ihr schon immer gesagt.

Viel zu lange blieb die Sehnsucht der Verkäuferin, mal eine andere zu sein, in der Luft hängen. Gut, sie ist nicht sehr groß, aber eine Karriere in der Werbung, als Katalogmodel, für TV-Spots schwebt ihr schon vor. Wie Verona Feldbusch, wie Naddel Abdel Farrag. Vexierbild, Fata Morgana, Luftspiegelung: hier jene Danijela, die tagsüber bei Media Markt schuftet und in Spandau in einer Erdgeschosswohnung wohnt, mit Couchgarnitur und Wellensittichen und Miroslav, ihrem Mann, der vor dem Fernseher sitzt. Dort dagegen jene Danijela auf den Fotos, die sie von sich hat machen lassen, um sich irgendwann – jetzt – damit zu bewerben: In der untergehenden Sonne sitzt sie auf der gepflasterten Straße in einem kroatischen Dorf, aus dem ihre Eltern kommen. Sie wirft ihren Kopf in den Nacken, den Schmollmund hat sie leicht geöffnet, die Jacke, unter der sie nichts trägt, verhüllt ihren Körper nicht ganz. Die Fotos sind ausgezeichnet. Ozinger, die ihre Lehre in einem Fotogeschäft gemacht hat, weiß, dass Gegenlicht jeder Frau schmeichelt. Erst als das Playboy-Plakat aushing, hat sie sie abgeschickt.

Nun ist sie in der Februar-Ausgabe des Männermagazins abgelichtet. Das ist die Auszeichnung, die die 25-Jährige hebt. „Zehn Media-Markt-Frauen zeigen ihre Schnäppchen“, heißt es auf dem Titelbild. „Wir sind doch nicht blöd!“

Mehr Esprit hat der Rest des Textes, den das Heft für seine Titelstory veranschlagt, auch nicht. Die Schönen zeigen, „was sie im Angebot haben“, den Betrachtern wird so was wie „im Kaufrausch“ nahe gelegt, „die Mädchen helfen übrigens auch gern beim Auspacken“. Im Playboy-Kosmos ist alles Mädchen, was Brüste hat. Mädchenwelt – Märchenwelt. Das liegt nah beieinander. So einfach ist es. „Das alles könnte eines Tages dir gehören“ – Media-Markt-Jargon gemischt mit Playboy-Rhetorik.

Zwischen Bosch-Kühlschrank, Sony-Fernseher, Lautsprecherboxen, Staubsaugern, Camcordern, Kochtöpfen posieren die jungen Frauen. 23 Seiten lang plus Titelblatt. Der einen läuft die Milch, die sie gerade aus der Flasche trinkt, die Brüste herunter, eine andere testet direkt über ihrer Brustwarze, ob ihr Bügeleisen heiß genug ist, eine Dritte sitzt auf der Waschmaschine und gießt Weichspüler – Marke No-name – ins Waschmittelfach unterhalb ihrer Scham. Ozinger wiederum spielt mit einem Joystick zwischen ihren Beinen. Die Bildsprache ist so simpel, dass selbst Schulversager sie entziffern können.

„Wir machen Themengeschichten über Frauen, die sich an Orten aufhalten, wo Männer verkehren. Da liegt Media Markt auf der Hand“, meint Carina Rey, Leiterin der Marken-Kommunikation bei Playboy. Es sei der Traum vieler Mädchen, einmal ins Heft zu kommen. Ihr Marktwert steigere sich dadurch nicht automatisch, meint Rey. Dabei dürfte das gar nicht so schwer sein. 2.000 Euro hat Ozinger für ihre Mühen gekriegt. Glaubt man alten Berichten, haben Playmates so viel schon vor 30 Jahren bekommen. „Fünf- bis siebentausend Euro wäre ein fairer Preis gewesen“, sagt Marcus Menarc Thiemann von der Berliner Modelagentur „Splendide“. Den hundertprozentigen Aufschlag für Nacktaufnahmen inbegriffen. „Der Nutzen eines Bildes bestimmt seinen Wert.“

Der Nutzen der Bilder – vor allem jener von Ozinger – scheint gewaltig. Der Playboy war noch nicht raus, da war ihr Foto mit Joystick zwischen den Beinen schon in der Bild. „Ich bin das schärfste Gerät“, schrieben die Redakteure. Andere Boulevardblätter, selbst die Kronen Zeitung in Österreich, haben nachgezogen. Rechte an der Zweitverwertung der Bilder hat Ozinger nicht. Wie viel Playboy durch deren Vermarktung verdient, sagt die Leiterin der Marken-Kommunikation nicht.

Ozinger und ihre Kolleginnen haben enormen Mehrwert geschaffen. Nicht nur Playboy, vor allem die Media-Markt-Saturn Holding – bekannt für „Geiz ist geil“ und „Ich bin doch nicht blöd“ – hat an ihnen verdient. „Wir sind nicht unglücklich über die PR-Aktion“, übt sich Bernhard Taubenberger, der Leiter der Unternehmenskommunikation, in Understatement. Sehr preisgünstig sei sie gewesen. „Das Ganze hat uns diverse Reißzwecken gekostet, um die Plakate aufzuhängen.“

Für eine Seite Werbung im Playboy hätte das Unternehmen 21.000 Euro hinlegen müssen. Für 23 Seiten plus Titelblatt – ohne Rabatt – eine halbe Million. Taubenberger relativiert: Für ihn sei das keine Werbung, sondern ein ästhetisches Projekt. Playboy habe eine Firma gesucht, die nicht steif konservativ, sondern offen sei, und dafür sei Media Markt bekannt.

Was „nicht steif konservativ“ bedeutet, erklärt Taubenberger gern: „Unser Führungsstil ist nicht auf Hierarchien bedacht.“ Und: „Bei uns werden Sie nur glücklich, wenn sie Eigenverantwortung übernehmen.“ Die ist mit dem Lohn abgegolten. Er liegt, Tarif vorausgesetzt, auch für lang gediente Verkäuferinnen unter 2.000 Euro brutto im Monat.

In München im „P1“ sitzt plötzlich Olli Kahn mit seiner Verona neben ihr. „Ich wollte bleiben“

Eine Gratifikation für die PR, die die zehn Frauen dem Unternehmen gebracht haben, hat Media Markt den Frauen nicht bezahlt. Darauf angesprochen, antwortet Taubenberger: „Ich weiß, offen gesagt, auch nicht, warum nicht. Den Mädchen hat das Spaß gemacht. Die haben eine kleines Honorar von Playboy bekommen und sind fürchterlich stolz.“ Immerhin meint er, sich erinnern zu können, dass einige Filialleiter ihren Mitarbeiterinnen Sonderurlaub fürs Fotoshooting in München gegeben haben sollen. Der Media Markt in Spandau, wo Ozinger Handys und Handyverträge verkauft, gehört nicht dazu.

Dass die Frauen billig vermarktet wurden und dass das im Media-Markt-Trend liege, alles sei eben Discount, auf so eine Diskussion lässt sich der Chef der Unternehmenskommunikation nicht ein. „Ich widerspreche, wenn Sie sagen, wir hätten das Konsumentenverhalten durch das Geiz-ist-geil-Motto beeinflusst. Wir haben nur das Leitmotiv geprägt für die Strömungen, die ohnehin da waren.“ Und ein Discounter sei Media Markt keinesfalls. Er meint allerdings, dass die Ich-greife-zu-weil’s-billig-ist-Mentalität im Abklingen sei. Ob das für den Blick auf Frauenkörper auch gilt? Für Taubenberger handelt es sich bei der Playboy-Aktion um „Klamaukerotik“. Ein Wort, das der Werberat für die Media-Markt-Werbung kreiert habe.

Der Weg vom großen Geschäft mit den Träumen, das in München verhandelt wurde, zurück in die Spandauer Vorstadt ist hart. Ozinger hat es gespürt. Dort: Fünf-Sterne-Hotel, Flug erster Klasse und das Gefühl, ein Star zu sein. „Alles war neu, ich bin ja auch zum ersten Mal geflogen. Dann das Styling und Shooting und so. Jemand beschäftigt sich mit einem und macht eine andere aus dir.“ Ins „P1“, die Prominentendisco, wurden sie auch eingeladen. Plötzlich saß Olli Kahn mit seiner Verena direkt neben ihr. „Normalerweise sieht man das im Fernsehen und dann ist man mittendrin. Es hat mir gefallen. Ich wollte bleiben. Aber am anderen Tag ist man wieder Verkäuferin in Spandau.“

In der Erdgeschosswohnung wirft eine Kerze warmes Licht. Einzig das Ölbild über dem Sofa, das eine Mittelmeerlandschaft zeigt, widersetzt sich mit seinen grellen Farben der Dämmerung im Raum. Daneben hängt das Foto von Ozingers Mutter, die vor neun Jahren starb. „Plötzlich war ich allein gestellt. Ich war nicht mehr geführt. Grad als Mädchen“, sagt sie.

Die 25-Jährige blättert die Zeitungen durch, in denen sie abgelichtet ist. Und dann zeigt sie die Fanpost. Ozinger ist überrascht, dass ihr die Leute schreiben. Solche Sachen etwa: „Wenn Frauenkörper sprechen, haben Männer nicht genug Augen, um zuzuhören.“ Oder: „Ich finde, du kannst dich gut zeigen.“

Das finden ihre Freunde, ihre Familie, ihr Mann auch. Sie hat keine schlechten Erfahrungen gemacht. Keine Vorwürfe, keine Anmache, keine Verachtung. Trotzdem: Die Spannungskurve weist derzeit nach unten. Heute, wenn der neue Playboy rauskommt, ist sie ersetzt. Da sind dann andere Frauen dran. Für Ozinger hat sich bisher nichts weiter ergeben. „Keine Angebote von Agenturen und so.“ Ein bisschen enttäuscht ist sie schon.