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Archiv-Artikel

Jede Session hat ihre Saison

Mit Claudia Roth, Michael Vesper, Bärbel Höhn und Jörg Thadeusz als hervorragendem Moderator begehen die Kölner Grünen ihren Politischen Aschermittwoch. Am Ende aber wollen die meisten Parteifreunde lieber das Fußballländerspiel sehen

VON PASCAL BEUCKER

Es war ein gewöhnungsbedürftiger politischer Kehraus, den die Grünen am Aschermittwoch Abend im Alten Wartesaal am Kölner Hauptbahnhof boten. Bei der SPD im Gürzenich ein paar Stunden zuvor hatten die Kölschrocker von Brings den stimmungsvollen Auftakt gemacht und Bundeskanzler Gerhard Schröder den adäquaten Schlusspunkt gesetzt. Und bei den Grünen? Dort bildete eine Truppe den Abschluss, die Moderator Jörg Thadeusz mit unüberhörbarem ironischen Unterton und nicht zu Unrecht mit den Worten ankündigte: „Wenn die Stimmung stirbt, ist Platz für Atmosphäre.“

Ausgerechnet die Kleinkünstler des Kommando Rothenberger hatte sich die Partei als kulturellen Höhepunkt ausgesucht! Ein mehr oder weniger komisches Operettenprogramm als „Krönung“ einer Veranstaltung mit dem Titel „Jeck auf Grün“? Da hielt es nicht einmal der Top-Grüne Michael Vesper bis zum Schluss aus. Wie etliche andere auch zog es den stellvertretende Ministerpräsident auf einmal ganz schnell zum Anpfiff des Fußballländerspiels – anstatt bis zum Abpfiff im Alten Wartesaal auszuharren.

Dabei hatte ansonsten eigentlich alles gestimmt. Anders als im vergangenen Jahr, als sich die Grünen noch in ein Kneipenhinterzimmer zwängten, stimmte diesmal das Ambiente. Mit dem Fernsehjournalisten Jörg Thadeusz hatten sie sich – im krassen Gegensatz zur SPD im Gürzenich – zudem einen ausgezeichneten und unterhaltsamen Moderator engagiert. Auch das aufgebotene Personal war vorzeigbar: Als Hauptrednerin war die Bundesvorsitzende Claudia Roth nach Köln gekommen. Sie redete lange und mit gewohnt kämpferischem Tremolo: Dem bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber attestierte sie einen „totalen Filmriss“. Der Union insgesamt bescheinigte Roth eine „Brandstifterpolitik“ und erinnerte an die „deutschtümelnden Kampagnen“, mit denen sich CDU und CSU immer wieder als „Stichwortgeber für ganz rechts außen“ präsentiert hätten.

Roth entsprach also insgesamt den Erwartungen – wenn sie auch bisweilen recht nervös wirkte. Ob das daran lag, dass der kölsche Karneval für sie doch irgendwie eine fremde Welt ist? So musste sie sich denn auch vom Publikum belehren lassen: Eine „Saison“ ist etwas anderes als die hiesige, gerade zu Ende gegangene Session. Da kennen sich Vesper und die Landesumweltministerin Bärbel Höhn besser aus. Im Smalltalk mit Thadeusz gaben die beiden bisweilen hübsche Anekdoten und Bonmots zum Besten. So beispielsweise, als Höhn den FDP-Landtagsfraktionschef Ingo Wolf als „Inkarnation einer Büroklammer“ bezeichnete.

Für einige Lacher sorgte auch ihre Mitteilung, am heutigen Freitag Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma zu treffen, auch wenn sie wisse, „dass den nicht alle gut finden“. Aber, so Höhn: „Der ist auch ganz lustig.“ Nett war auch, wie Vesper erklärte, warum bei der Landtagswahl 1980 die beiden damaligen grünen Spitzenkandidaten auf dem Selbstdarstellungsflugblatt fehlten, er selbst jedoch als nur Fünftplatzierter auf der Landesliste nicht: Die Partei sei damals halt noch gegen Personenkult gewesen und habe ausgelost, wer mit Bild erscheinen durfte... Lang, lang ist‘s her.