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Archiv-Artikel

Trost küssen in Tokio

Weder Posen noch laute Wortwechsel: „World’s End“ im Forum erzählt formvollendet unspektakulär von der Liebe

Manchmal kommt man aus dem Kino und ist glücklich. Es ist so ein leises, präzises Déjà-vu-Gefühl von Sehnsucht, und man atmet die Luft, guckt in den blauen Himmel und hat das Gefühl, an etwas Entscheidendes erinnert worden zu sein, das man vergessen hatte, und für Momente ist man wieder mit dem verbunden, was man selber ist.

Die japanische Regisseurin Kazama Shiori, vor drei Jahren mit „Mars Canon“ im Forum vertreten, erzählt in „World’s End/Girl Friend“ von Menschen in Tokio, die meisten um die 20. Shinnosuke und sein Freund führen ein Geschäft für Bonsai-Pflanzen. Eine Heldin des Films heißt Haruko und lernt Friseuse. Nach einer Auseinandersetzug mit ihrer Chefin bricht sie ihre Lehre ab. Mit ihrem Freund ist auch Schluss. So zieht sie zu Shinnosuke und macht zwischendurch Reklame in einem riesigen rosa Häschenkostüm. Es gibt verschiedene Liebesgeschichten, Komplikationen, Anziehungen, Abstoßungen. Es geht aber nicht um Eroberung, Besitz oder auch nur Dauer in der Liebe, sondern eher um das Unpersönliche, um Bonsaipflanzen und Zierfische. Eine Zigarette teilen, dem andren Schlaftabletten ins Getränk zu tun, weil man doch nicht mehr will als küssen und sich das nicht zu sagen traut. Man macht etwas, weiß nicht genau, warum: Es ist aber sehr wichtig.

Eine ist Pazifist und Philanthrop und küsst seinen Freund auf den Mund, weil der verzweifelt ist. Zwei, die nicht zusammenbleiben werden, sitzen an einem Kanal. Die Dinge sind weiß, kalkig, sandig. Es gibt schöne landschaftliche Geraden und Diagonalen in diesem Bild, in dem sie sitzen und über die Liebe und das Leben reden. Sehr schöne, kluge Sätze, die ein bisschen an Murakami erinnern. In einer Szene schaut Haruko in den wolkenlosen Himmel und sieht dort ein Flugzeug. Kurz kneift sie die Augen zusammen. Man sieht das Flugzeug explodieren. Dann guckt sie wieder hin und es war nur eine Fantasie. Es gibt keine lauten Wortwechsel, keine Posen in diesem wunderschönen Film über Jugend und Liebe in Tokio. „World’s End/Girl Friend“ ist auf eine gänzlich unspektakuläre Weise formvollendet.

DETLEF KUHLBRODT

„Sekai no owari“, 11. 2. 21.30 Uhr, Delphi; 12. 2., 13.00 Uhr, CinemaxX 3; 12. 2., 22.00 Uhr, Arsenal; 14. 2., 22.00 hr, CineStar 8