Rechte Sicht auf das Kriegsende

CDU und FDP unterstützen bei Abgeordnetenhausdebatte den umstrittenen Beschluss des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, auch deutscher Kriegsopfer zu gedenken. SPD für neues NPD-Verbotsverfahren

VON STEFAN ALBERTI

CDU und FDP stehen weiter hinter dem höchst umstrittenen Beschluss der von ihnen dominierten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf zum Gedenken an den 8. Mai 1945. Im Abgeordnetenhaus wiesen beide Parteien gestern Kritik von SPD, CDU und Grünen zurück. So soll es dabei bleiben, dass der Bezirk in einem Atemzug mit der Befreiung vom Faschismus auch der deutschen Kriegsopfer gedenkt. Am kommenden Mittwoch steht das Thema in der BVV erneut an. In der Debatte sprach sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zudem für ein NPD-Verbot aus. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte sich dazu jüngst skeptisch geäußert.

Man dürfe und müsse aller unschuldigen Opfern gedenken, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer in der Aktuellen Stunde des Parlaments zum Thema Rechtsextremismus. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann bestritt das nicht: „Natürlich darf und muss man auch Kriegsverbrechen der Alliierten benennen dürfen, das Leid, das die deutsche Zivilbevölkerung erfahren hat.“ Die BVV habe sich aber zu einem Beschluss hinreißen lassen, wonach der 8. Mai nicht eindeutig für die Befreiung steht. Dieses Aufweichen dürfe es nicht geben. Ratzmann ortete die BVV zwar „weit von geistiger Nähe zur NPD entfernt“. Dennoch sah er in dem Doppel-Gedenk-Beschluss „das gleiche Muster, mit dem die NPD in Sachsen versucht hat, Geschichte zu relativieren“.

Auch für SPD-Fraktionschef Michael Müller relativiert der BVV-Beschluss Verbrechen der Nationalsozialisten. „Diese Interpretation der deutschen Geschichte eines Berliner Bezirksparlaments schadet dem Ansehen Berlins“, sagte Müller unter Zwischenrufen der bürgerlichen Fraktionen.

Beide Lager zitierten aus der viel gelobten Ansprache des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU) von 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. CDU-Mann Zimmer zog eine Stelle heran, wonach niemand vergessen werde, „welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten“. SPD-Fraktionschef Müller zitierte Weizsäcker genau dort weiter: „Aber wir dürfen nicht im Ende des Kriegs die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr im Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte.“

Wie Wowereit drängte auch Müller zu einem erneuten NPD-Verbotsverfahren am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: „Schon bei halbwegs günstigen Erfolgsaussichten sollten wir einen solchen Schritt mutig wagen.“ Ein Verbot allein reiche allerdings nicht und könne „nur ein Baustein einer konsequenten Strategie gegen Rechtsextremismus sein“.

Widerspruch kam vom Fraktionschef seines Koalitionspartners PDS, Stefan Liebich. Ihm reichten die von Müller genannten „halbwegs günstige Erfolgsaussichten“ angesichts der Risiken nicht: „Eine erneute Niederlage wäre eine Katastrophe, das können wir uns nicht erlauben“, sagte Liebich. Ein erster Anlauf war 2003 gescheitert.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte vor einer Woche der taz gesagt, er sei „skeptisch gegenüber einem erneuten Gang nach Karlsruhe“. Für ihn reichten zwar allein NPD-Äußerungen im sächsischen Landtag schon als Beweismittel für Verfassungswidrigkeit. Er nannte es jedoch eine „Illusion“ zu glauben, ein Verbot würde Neonazi-Aufmärsche beenden: „Leute, die rechtsradikal denken, werden nicht wegen eines Parteiverbots von ihrem Denken Abstand nehmen.“