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Archiv-Artikel

Deep Digger, Big Bopper

Er machte die Hammondorgel Mitte der Fünfzigerjahre zu einem Jazzinstrument, und führte den Jazz wieder zu seinen Wurzeln in der schwarzen Kirche zurück. Ein Nachruf auf Jimmy Smith

von CHRISTIAN BROECKING

Als Miriam Makeba unlängst in einem Pariser Plattenladen CDs kaufen ging, kam sie mit den „guten alten Sachen von Miles Davis und Jimmy Smith“ zurück. Makeba schwärmte dann von den Smith-Klassikern „Home Cookin’“ und „Back At The Chicken Shack“, die der Organist in den Fünfzigerjahren für Blue Note aufgenommen hat. Schon die Namen der Stücke rochen nach Soulfood. Vierzig Jahre später führte ein CD-Titel wie „Dot Com Blues“ (2001) entsprechend in die Irre. Wer von dem inzwischen 73-jährigen Organisten einen Beitrag zum Modethema der Jahrhundertwende erwartet hätte, wurde getäuscht. Smiths erste Aufnahme nach fünf Jahren Plattenabstinenz glänzte vielmehr durch Name-Dropping und Laid-Back-Arrangements alter Blues- Klassiker – Etta James, B.B. King und Dr. John machten diese Einspielung zu der gesangsbetontesten Smith-Platte ever.

In den Fünfzigerjahren revolutionierte Smith den Gebrauch der Orgel im Jazz und beeinflusste alle Organisten nach ihm – von Jimmy McGriff über Larry Young bis zu Joey DeFrancesco. Smith machte das Spiel auf der Hammond-B-3-Orgel so populär, dass die Fachzeitschrift Down Beat die Orgel als neue Instrumentenkategorie im Jazz einführte. Er vermengte wichtige Strömungen der afroamerikanischen Folklore – R & B, Gospel und Blues – zu richtungsweisenden Statements.

Der Soul Jazz, der sich Mitte der Fünfzigerjahre angekündigt hatte, galt als Signal. Vor allem in Kreisen schwarzer Musiker wurde in jenen Tagen sehr viel über die zukünftige Richtung des Jazz diskutiert. Bebop und West Coast schienen überholt oder erschlafft, und einige empfanden, dass der Jazz sich von seinen historischen Wurzeln entfernt hatte: der schwarzen Kirche und Community. „Soul Power“ wurde zum Synonym für ein neues Selbstbewusstsein, für den Glauben an Veränderung und Fortschritt. Soulful und funky – das bedeutete bluesbetont zu spielen und an den Anfängen der schwarzen Volksmusik orientiert. Wenn Smith von „Funk“ sprach, meinte er immer Soul Jazz und „das, was wir den alten Oklahoma-Funk nennen“.

In einem Artikel für die Hammond Times schrieb Smith 1964, dass er auf der Orgel immer versucht habe, wie der Saxofonist Charlie Parker zu klingen. „Wenn man mal den Aspekt der Erstarrung dieses Instruments in unserer Community über die Jahre betrachtet, bestand einfach eine gewisse Dringlichkeit, dagegen etwas zu tun“, sagt der afroamerikanische Saxofonist James Carter. „Die Kirche bildete immer ein Ventil dafür, nicht nur deinen Nächsten, sondern auch Gott nahe zu sein, und die Orgel gehörte einfach dazu. Später fand sie dann den Weg in Kneipen und Jazzclubs und schließlich sogar ins Studio. Es ist auch eine Art Wiederentdeckung einer Musik, die ein wenig verloren gegangen zu sein scheint. Da die Orgel so stark mit der Kirche verbunden ist, geht es auch um das Zusammenkommen und die Geselligkeit“, so Carter heute im Hinblick auf das, was Smith einer jüngeren Jazzgeneration vererbt.

Mitte der Siebzigerjahre zog Smith, der aus Norristown, Philadelphia, stammte, nach Los Angeles und eröffnete dort einen Jazz Supper Club, in dem er regelmäßig auftrat, so wie er überhaupt immer auf Tour war – erst kürzlich trat er im Berliner Jazzclub A-Trane auf. Am Dienstag ist Smith 76-jährig in seinem Haus in Phoenix gestorben.