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Archiv-Artikel

Gut gebrüllt, bayrischer Löwe!

betr.: „NPD wird immer fetter“, „Stoiber: Schröders Politik schuld an NPD“, taz vom 7. 2. 05

In den vergangenen 25 Jahren hat die Demoskopie immer wieder zu Tage gefördert, dass 15 bis 20 Prozent der Deutschen anfällig sind für antisemitisches Gedankengut, und das unabhängig von den ökonomischen und sozialen Gegebenheiten. So wie der Antisemit für seine Gesinnung keinen Juden „benötigt“, braucht der (potenzielle) NPD-Wähler diese Partei nicht im Land- oder Bundestag, um sein ewiggestriges Weltbild zu pflegen. Es ist also ziemlich egal, ob Herr Schröder oder Herr Stoiber diese Republik regiert – eine starke Minderheit brauner WählerInnen wird es in deutschen Landen immer geben. Die Gefahr, dass die Politik versucht, diese ZeitgenossInnen mit Worten und Taten einzuschleimen, ist allerdings bei dem CSU-Populisten größer als beim amtierenden Kanzler.

UWE TÜNNERMANN, Lemgo

In der Weimarer Republik standen viele Menschen in Distanz zur Demokratie und hatten autoritäre und nationalistische Einstellungen. Den Nazis zum Sieg verhalf dies erst, als eine massive soziale Verunsicherung durch die Weltwirtschaftskrise und die Brüning’sche Sparpolitik dazu kam. Die Situation ist heute nicht vergleichbar, ich nehme aber hier in Sachsen einen vergleichbaren Mechanismus wahr: Ohne eine gewisse Nähe bzw. zumindest eine Indifferenz zur NPD wählt man diese nicht – auch nicht aus Protest. Aber ohne die soziale Verunsicherung, ohne das Gefühl, zum „Sozialfall“ herabgewürdigt zu werden und von allen „etablierten“ Parteien (zu denen für viele auch die PDS zählt) verraten zu sein, wählt man die NPD auch nicht. Der Aufstieg der NPD ist daher tatsächlich von rot-grün mit zu verantworten – von Stoiber, Merkel und Milbradt, die für eine verschärfte Sozialabbauvariante stehen, allerdings mindestens genau so. HORST SCHIERMEYER, Zittau

Ganz Unrecht hat Stoiber mit seinen Vorwürfen nicht. Die Wahrheit über die Stärkung der Neonazis ist aber bei weitem komplexer. Zum einen verschweigt Stoiber, dass die Politik der CDU/CSU so gut wie die gleiche ist wie unter der SPD und Grünen, zum anderen werden die wahren Verursacher von Radikalitäten nicht wirklich benannt. Radikal wird der Mensch nur dann, wenn Perspektivlosigkeit und Ohnmacht vorherrscht. In einer Demokratie hat der einzelne die Möglichkeit selbst über gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu entscheiden. Wird ihm dieses Recht bzw. diese Freiheit genommen, kommt dazu noch Machtmissbrauch oder Wirtschaftskriminalität bei den Verantwortlichen, so wandelt sich die Ohnmacht in Wut und wird zur Radikalität. Gleichnisse mit dem Jahre 1932 sind durchaus angebracht! WILHELM HÖTZL, Pfaffenhofen-Weiler

Diverse Unterschriftenaktionen gegen doppelte Staatsbürgerschaften und Stammtischparolen, die wir von schon zurückgetretenen Parteifunktionären ertragen mussten, waren so gestrickt. Hauptsache Stimmung gegen den politischen Gegner. Doch der wirkliche Gegner sind die Rechten. Sie einfach verbieten wäre fatal. Man kann eine Partei verbieten, nicht jedoch die Wähler. Vielmehr muss man sich fragen, warum die Rechten gewählt wurden. Sicher liegt es auch an der Wirtschaftslage (zu der die Union auch ihren Beitrag geleistet hat in 16 Jahren Kohl-Regierung und 7 Jahren Merkel durch Blockaden). Doch es hängt auch an betrügenden Politikern, denen das eigene Wohl wichtiger ist als das Wohl des Volkes, an Stammtischparolen und Unterschriftenlisten, mit denen man Tabu-Themen salonfähig macht und die rechten ins demokratische Boot holt, wo sie niemals hin gehören. TORSTEN JÄGER, Bodenheim

Gut gebrüllt, bayerischer Löwe! Da ziehen im Osten einige Rattenfänger mit zurückgebliebenem Gedankengut in den Landtag ein, und Herr Stoiber weiß nichts Besseres, als die Schuldigen wieder einmal in der rot-grünen Bundesregierung auszumachen. Die üblichen Verdächtigen eben.

Doch hat der bayerische Löwe sich genauso laut vernehmen lassen, als vor wenigen Jahren im Südwesten des damals CDU/CSU-geführten Deutschlands in anderem Gewand die braune Pest umging? Die ganze Schlammschlacht ist zutiefst unehrlich. Herr Stoiber gäbe sonst zu, dass CDU und CSU über den Bundesrat längst mitregieren. Dass einige gesetzliche Regelungen, die regulärer Beschäftigung und der Sozialversicherung gleichermaßen den Garaus machen (z. B. die massive Ausbreitung der 400-Euro-Jobs), sogar von der Union herbeigezwungen wurden. Dass mit einer Wartezeit von zwei Jahren (statt sechs Monaten), die Herr Stoiber unter anderem anstrebt, der gesetzliche Kündigungsschutz faktisch abgeschafft würde. Fakt ist: Arbeitslosigkeit ist die Folge von Entlassungen und zu wenigen Einstellungen, die letztlich auf unternehmerisches Handeln zurückgehen. Ein Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit sucht man selbst in einer Schublade der Münchner Staatskanzlei vergebens.

Nur zwei Dinge – und diese nur gemeinsam – können Arbeitslosigkeit bekämpfen: eine Regierung mit Augenmaß und Weitsicht und sozial verantwortungsvoll handelnde Unternehmer. Und vor allem Letztere sind in den führenden deutschen Unternehmen zurzeit dünn gesät. Statt Schuldzuweisungen und einem Wettbewerb um immer neue soziale Grausamkeiten ist gutes und rationales Handeln angesagt! Dafür braucht es nicht nur wegen der unterschiedlichen Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat den Zusammenhalt der Demokraten, den Bundespräsident Köhler angemahnt hat. MARKUS SPRENGER, Konstanz

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