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Archiv-Artikel

„George W. Bush muss die Palästinenser ernster nehmen“, sagt Nathan Brown

Bislang hat Bush Scharon einseitig unterstützt. Wenn er die Demokratisierung der Region will, muss er dies ändern

taz: Herr Brown, Außenministerin Condoleezza Rice sagte während ihres Nahostbesuchs: „Israel muss einige harte Entscheidungen treffen.“ Sind die USA gewillt, Ariel Scharon zu Zugeständnissen zu drängen?

Nathan Brown: Vielleicht. Öffentlich hat sie hat bislang nur sehr allgemein geäußert und keine Details zu die brisanten Fragen genannt. Aus dem Außenministerium sickert jedoch in inoffiziellen Gesprächen durch, dass man möglicherweise in der Siedlungsfrage Druck machen will.

Also gibt es einen langsamen Sinneswandel in wichtigen Positionen?

Auch hier: vielleicht. Es ist zu früh, dies festzustellen. Bush hat Scharon über vier Jahre im Wesentlichen den Segen zu all dessen Entscheidungen erteilt. Kleine Veränderungen können also bereits als Richtungswechsel aufgefasst werden. Doch bislang ist aus den sehr allgemeinen Kommentaren wenig zu entnehmen.

Insgesamt wird also der Ball weiter sehr flach gehalten, obwohl es sich nach Ansicht vieler Experten um den Schlüsselkonflikt im Nahen Osten handelt?

Klar ist, dass die fast uneingeschränkte Unterstützung Israels durch die USA es der Bush-Regierung schwer macht, andere strategische Ziele in der Region zu erreichen. Die völlige Rückendeckung für Scharon hat die Glaubwürdigkeit Amerikas untergraben und zu erheblichen Spannungen mit Europa geführt. Nicht jede Krise in der Region hat mit dem Palästinaproblem zu tun, doch so lange die Amerikaner sich hier nur halbherzig und einseitig engagieren, wird ihr Krisenmanagement in der arabischen Welt misstrauisch beäugt. Der Nahostkonflikt ist ein Prisma, durch das Amerikas Engagement betrachtet wird.

Gibt es eine Verbindung zwischen Irak und Palästina, schließlich gehören beide zur Region „Greater Middle East“ in die Bush vorrangig Demokratie exportieren will?

Analytisch müssen beide getrennt betrachtet werden. Doch es gibt Verbindungen: Sollten die USA eine konstruktive Kooperation mit Iraks Nachbarn in Sicherheits- und Wirtschaftsfragen wünschen, müssen sich sich um eine Beilegung des Nahostkonflikts bemühen. Und innerhalb der US-Regierung gibt es mittlerweile eine ideologische Verbindung. Beide sollen die risikoreiche Bush-Doktrin der Verbreitung von Demokratie rechtfertigen. Vor anderthalb Jahren, als Mahmud Abbas Premierminister wurde, lobte ihn Washington anfangs viel, doch nach kurzer Zeit verlor man das Interesse an ihm. Ich glaube, dass sich Bush dies nun nicht mehr erlauben kann. Nach seinem vornehmlich rhetorischen Demokratiebekenntnis der vergangenen Jahre muss er nun etwas tun.

Die Sorge, dass trotz Waffenstillstands die Hoffnung rasch wieder verpuffen könnte, teilen viele. Was ist notwendig, um diesmal erfolgreich zu sein?

Erstens muss der Waffenstillstand einigermaßen halten. Zweitens müssen dringende Probleme wie die Freilassung palästinensischer Gefangener gelöst werden. Drittens muss das US-Engagement endlich von Dauer sein.

Wird die US-Regierung nicht nur einen Sicherheitsberater wie William Ward entsenden, sondern auch einen Sondervermittler wie der einst von Bill Clinton beauftragte Dennis Ross?

Nein. Bush ist allergisch gegen Schritte, die nach Clinton-Rezepten aussehen könnten. Das Problem mit dem Oslo-Abkommen und der Roadmap war, dass es keine ernsthaften Bemühungen für ein Monitoring der zugestimmten Verpflichtungen gab. Beide Seiten begannen die Vereinbarungen rasch zu unterlaufen. Die Frage ist, ob Bush ernsthaft gewillt ist, sollte die Roadmap wieder mit Leben gefüllt werden, ihre Umsetzung öffentlich und mit Nachdruck zu überwachen. Allerdings kann ich nicht erkennen, dass er bereit ist, dies zu tun. Die Mission von William Ward ist begrüßenswert, aber völlig unzureichend.

Warum die Zurückhaltung?

Die Bush-Regierung sieht sich eher in der Rolle einer Sicherheitsreserve oder Feuerwehr. Sie meint zudem, dass die Palästinenser Vorleistungen bringen müssen.

Mit anderen Staaten, in denen Terroristen operieren, ist Bush weniger streng.

Dieser Doppelstandard ist nur teilweise unfair. Es lässt sich nun mal schwer verhandeln, wenn permanent Gewalt herrscht.

Warum fällt es Bush jr. eigentlich so schwer, so wie sein Vater, Israel unter Druck zu setzen und als neutralen Vermittler aufzutreten?

Bush jr. ist ideologischer. Aber das ist keine befriedigende Antwort. Es bleibt unverständlich, warum Bush, angesichts seiner Rhetorik, die Palästinensische Autonomiebehörde als demokratischste existierende Verwaltungseinheit in der arabischen Region nicht mehr zu schätzen weiß. Die Palästinenser sind daher zu Recht irritiert. Sie haben sich der Demokratisierung verpflichtet, haben viel von dem getan, was Bush forderte, und verstehen nicht, warum er sich nicht stärker für sie einsetzt. Ich glaube aber, dass Bush sich, was Demokratieförderung in Nahen Osten betrifft, so weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass er sich der Sache der Palästinenser mehr annehmen wird. In Israel löst diese Erkenntnis vielleicht Unbehagen aus.

INTERVIEW: MICHAEL STRECK