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Archiv-Artikel

Artikel für Liebhaberkünste

Fuselöl, Pech und Tropenkoffer – als die Wählscheibe noch Erklärungen bedurfte: Mit einer Faksimile-Ausgabe des ersten Hamburger Branchen-Fernsprechbuches blicken die Herausgeber zurück ins Jahr 1925 – und auf die Anfänge der Telefonie in der Hansestadt

Es muss nicht dem Spekulativen zuneigen, wer zum Eindruck gelangt, dass die Rolle des Telefons im Wandel begriffen ist. Aus dem einstigen Fernsprechapparat mit seiner Fähigkeit zum Vergessenmachen noch der größten Distanzen ist – spätestens in den Zeiten seines aufs Hosentaschentaugliche geschrumpften Formats – ein Unterhaltungsetwas für die ganze Familie geworden.

Beziehungsweise: für jene Familienmitglieder mit dem nötigen Spieltrieb; was den Kindern ihre Singende-Küken-Klingeltöne und anderer Download-Schnickschnack, ist nicht wenigen Eltern die unabdingbare Windows-Kompatibilität ihres mobilen Bürotausendsassas.

Kaum überrascht es da, wenn das soeben neu aufgelegte Hamburger Telefonbuch nicht nur in Form zweier tatsächlicher Bücher erhältlich ist, sondern auch als elektronische 60-MegaByte-Variante für Personal Digital Assitants (PDA) oder Smartphones. Einen Anlass zur Aufregung indes stellt die regelmäßige Neuauflage des Teilnehmerverzeichnisses kaum mehr dar: Durchaus beruhigend künden neue Telefonbücher ja auch davon, wie wenig sich bei aller vermeintlichen Schnelllebigkeit tatsächlich ändert um uns herum.

Dieser Tage erinnern die Verleger der Hamburger Gelben Seiten, der Verlag Dumrath & Fassnacht, an die Zeiten, als das Erscheinen eines „Amtlichen Branchen-Fernsprechbuchs“ noch eine Art Event dargestellt haben mag: Anlässlich des 80-jährigen Jubiläums wird eine schmucke Reproduktion der ersten Ausgabe „für den Oberpostdirektions-Bezirk Hamburg“ – neben der Stadt Hamburg sind Altona, Wandsbek und einige weitere Gemeinden enthalten – aus dem Jahre 1925 herausgebracht.

Darin findet sich manch Kurioses, etwa die Rubrik „Gelegenheitsdichter“ mit dem einzig eingetragenen F. Eberle senior. Neben Lieferanten von Fuselöl, Pech oder auch Tropenkoffern taucht die Rubrik „Altes Eisen“ ebenso auf, wie sich mit Hilfe des Bandes der Bedarf an „Artikeln für Liebhaberkünste“ decken ließ. Unweit der „Lehranstalten“ steht der einzig aufgeführte Leichentransporteur, und auf „Lumpen“ folgen „Luxusartikel“.

Aufschlussreich ist auch die vorangestellte Seite mit „sehr wichtigen Änderungen“: Weil in Altona und Bahrenfeld neue „Selbstanschlußfernsprechämter“ in Betrieb genommen worden waren, galt es, den Branchenbuch-Nutzern die Funktionsweise elementarer Neuerungen zu erklären: „Unter Wählen versteht man das Einstellen der Rufnummer mit der Nummernscheibe.“ Damit nicht genug: „Die Nummernscheibe wird durch Einstecken eines Fingers in eine der mit Ziffern und Buchstaben ... bezeichneten Öffnungen erfaßt“, heißt es weiter, „soweit rechts herumgedreht, bis der Finger gegen den Anschlag stößt, und sodann losgelassen.“

Neben einer ebenfalls durchaus schmuck daherkommenden Reproduktion des zeitgenössischen Adressbuchs mit Straßenverzeichnis und eingelegtem Stadtplan fehlt übrigens – so viel Technikfreude muss sein – auch eine CD-ROM-Version nicht.

Alexander Diehl

Die taz hamburg verlost drei Exemplare des Faksimile-Bandes (inkl. CD-ROM): Anrufen am Montag, 14. 2., zwischen 11 und 11.15 Uhr unter ☎ 38 90 17 38