: Abgewanderte Orgasmen
Die Pornokomödie als staatsgefährdender Angriff auf die herrschende Ideologie: Die Dokumentation „Inside Deep Throat“ (Panorama) über den ersten Mainstreamporno
Am Ende wurde Richard M. Nixon durch „Deep Throat“ zur Strecke gebracht. Dabei hatte der republikanische Präsident (1969–1974) gedacht, mit Hilfe der von ihm ernannten konservativen Richter am Obersten Gerichtshof wäre „Deep Throat“ erledigt worden. „Deep Throat“ war der erste Pornofilm, der es 1972 ins Mainstreamkino und die Alltagskultur geschafft hatte. „Deep Throat“ war auch der bis heute anonyme Informant, der Nixons kriminelle Machenschaften aufzudecken half. Nixons zweite Begegnung mit dem, was er selbst zum Begriff gemacht hatte, entbehrte nicht der Ironie.
Jetzt, rund 30 Jahre nach Filmstart und Politskandal, ist eine dritte Begegnung mit „Deep Throat“ angesagt. Sie lohnt sich. Die Recherche zu den Hintergründen der Entstehung, Finanzierung und juristischen Verfolgung von „Deep Throat“ zeigt den Film als grandiose Diskursmaschine. Die vom Dokumentarfilmteam Fenton Bailey und Randy Barbato mit Hilfe von Interviews und Originaldokumenten aufbereitete Fülle von Geschichten, Spuren und Anekdoten liefert ein Panorama der produktionstechnischen, juristischen, politischen, ethischen, sexuellen, ästhetischen, massenmedialen und kritischen Theorie und Praxis der Zeit. Und dabei sagt der Macher des Originalfilms, Gerard Damiano, gleich zu Beginn von „Inside Deep Throat“, sein Film sei schlecht.
In jedem Fall ist „Deep Throat“ ein skurriler Film. Ein Arzt entdeckt bei einer Patientin deren Klitoris im Rachen. „Inside Deep Throat“ zeigt nun, wie der kuriose Einfall in den Gerichtsakten notorisch wurde: Den Frauen würde der klitorale Orgasmus als vollwertiger Orgasmus angepriesen. Die Pornokomödie wurde so zum staatsgefährdenden Angriff auf die herrschende Ideologie.
Wahrscheinlich, so unterstellt es „Inside Deep Throat“, trug das Thema des klitoralen Orgasmus zum ungeheuren Erfolg des Films bei. Dass dieser Orgasmus an der falschen Stelle entdeckt wurde, rechtfertigte den feministischen Vorwurf an den Film, keineswegs ein emanzipatives Interesse zu verfolgen. Im Gegenteil wurde weiterhin herrschende Ideologie transportiert: Der Frau müsse gut tun, was dem Mann gut tat – der blow job. Gerade in dieser Wendung macht „Inside Deep Throat“ aber klar, dass sich die verhandelte Sache zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort der Debatte als völlig neue, andersartige erweist. So kann sich auch die Protagonistin Linda Lovelace zunächst als erster Pornostar eines Mainstreampublikums feiern lassen, um danach als Opfer aufzutreten, dem bekannte Feministinnen wie Gloria Steinem beispringen müssen.
Der Schwachpunkt des Films ist seine Rahmenerzählung vom Aufbruch des Pornofilms in der Unschuld der sexuellen Revolution und seinem Niedergang im reinen Kommerz, der heute die Einspielergebnisse von Hollywood lächerlich erscheinen lässt. Hier übernehmen sich Autoren und Produzenten. So viel Kulturkritik muss nicht sein.
BRIGITTE WERNEBURG
„Inside Deep Throat“: 13. 2., 22.30 Uhr, CinemaxX 7; 14. 2., 22.30 Uhr, CineStar 7; 15. 2., 15.30 Uhr, Colosseum