: Automatisch ausgebürgert
Tausende Berliner türkischer Herkunft sind keine Deutschen mehr – ohne es zu wissen. Das Land gibt ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft zwar nicht wieder zurück, erleichtert nun aber ihr Bleiben
VON ANNA STARK
Mehrere tausend eingebürgerte Türken der Stadt haben seit Anfang 2000 ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren – seit gestern ist klar, dass sich daran nichts ändern wird. Zwar will ihnen Innensenator Körting (SPD) jetzt in einem vereinfachten Schnellverfahren ohne Einzelfallprüfungen Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnisse erteilen, Deutsche sind sie aber auch dann nicht mehr.
Betroffen sind Deutschtürken, die sich nach der Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes seit Januar 2000 wieder einen türkischen Pass verschafft haben, obwohl sie zuvor in Deutschland eingebürgert wurden. Mit dem Beantragen ihres (alten) türkischen Passes haben sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen möglich.
„Wir gehen davon aus, dass die Betroffenen nicht bösartig gehandelt haben, sondern lediglich nicht ausreichend informiert wurden“, so Körting. „Ich vermute, dass einige immer noch nicht wissen, dass sie nicht mehr Deutsche sind.“ Der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft betrifft laut Körting auch Kinder, die nach Januar 2000 geboren wurden und deren Eltern anschließend wieder die türkische Staatsbürgerschaft erhielten.
Die neuen Aufenthaltsgenehmigungen werden nun ab dem Datum der Antragsstellung gelten. Anders als bei regulären Genehmigungen sollen dabei finanzieller Status und Sprachvermögen nicht überprüft werden. Zudem können die Betroffenen bereits mit der Antragsstellung ihre Erwerbstätigkeit fortsetzen.
Die türkischen Verbände in Berlin zeigten sich mit der Regelung weitgehend einverstanden. Kenan Kolat, Geschäftsführer des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB), sprach von einer „optimalen Lösung“. Jetzt müsse man jedoch abwarten, wie sich das Verfahren in der Praxis umsetzten lässt.
Das Schnellverfahren, das jetzt beschlossen wurde, ist nur bis zum 31. August 2005 gültig. „Wer das in den nächsten Monaten nicht mitbekommt, hat Pech gehabt“, sagte Körting. Mit pauschalisierten Regelungen könne danach nicht gerechnet werden, da das Argument des Informationsmangels dann nicht mehr ausreichend sei.
Und wer es dennoch verpasst? „Mit Ausweisungen ist zunächst prinzipiell nicht zu rechnen“, beruhigt Taccedin Yatkin, Sprecher der Türkischen Gemeinde Berlin (tgb). Höchstens ein Prozent der Betroffenen könnte Schwierigkeiten bekommen. Körting sagte, gefährdet sei nur, wer Terror ausübe, zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden sei oder verfassungsfeindliche Aktivitäten verfolge.
Mit der jetzt beschlossenen Regelung entspricht die Berliner Innenverwaltung einer Empfehlung des Bundesinnenministeriums, wonach die Länder vergleichsweise unbürokratisch die Wiedereingliederung der einstigen deutschen Staatsangehörigen betreiben sollen. In anderen Ländern steht eine Entscheidung noch aus. Bundesweit sind etwa 50.000 Menschen betroffen.