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Archiv-Artikel

Sorgenvolle Strahlefrau

Langläuferin Evi Sachenbacher, vor der Saison noch das große Zugpferd im Lager der Nordischen, sucht kurz vor den Weltmeisterschaften in Oberstdorf immer noch vergeblich nach ihrer Form

AUS PRAGELATO JOACHIM MÖLTER

Das Lächeln hat sich Evi Sachenbacher bewahrt, aber wenn sie über ihre derzeitige Situation erzählt, vermisst man die Unbekümmertheit, die einst dahinter steckte. Es sieht nicht gut aus für die Langläuferin eine Woche vor den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Oberstdorf, für die sie Reklame gelaufen ist im vorigen Sommer: in voller Wintermontur auf dem Kreuzfahrtschiff Aida, zu sehen in Fernsehspots. Die 24-Jährige ist ja die Werbefigur Nummer eins im deutschen Langlaufsport seit sie der Frauenstaffel als Schlussläuferin bei Olympia 2002 die Goldmedaille beschert hat und ein Jahr darauf auch den WM-Titel; als „Sonnenschein aus dem Chiemgau“ ist sie von einer Zeitung mal bezeichnet worden wegen ihres fröhlichen Wesens. Aber in dieser Saison ist Evi Sachenbacher Form und Gegnerinnen hinterhergelaufen. Und dabei ist der Strahlefrau das Strahlen abhanden gekommen und die sportliche Führungsrolle im deutschen Team auch: Die nimmt nun Claudia Künzel aus Oberwiesenthal ein.

Dabei hatte Evi Sachenbacher noch so optimistisch geklungen vor Saisonbeginn, hatte freudig von ihrem Wechsel zu Trainer Wolfgang Pichler erzählt, der einst die Schwedin Magdalena Forsberg zur dominierenden Biathletin ihrer Zeit formte mit fünf Weltcup-Gesamtsiegen nacheinander und so etwas Ähnliches nun auch mit der Langläuferin Sachenbacher vorhat. Er trainiere sie ja nicht, damit sie Zehnte im Weltcup werde, hat Pichler gesagt, und dass seine neue Athletin das Potenzial habe, die Langläuferin Nummer eins in der Welt zu werden. Anfang Januar war aber auch der Coach aus Ruhpolding etwas ungeduldig geworden. Da sagte er, es werde nun langsam Zeit, dass sie wenigstens mal unter die ersten zehn komme.

Von den Top Ten blieb Evi Sachenbacher freilich auch in den folgenden Rennen deutlich entfernt, und ob sie sich der Spitzengruppe inzwischen angenähert hat, wird man am Samstag sehen beim Weltcup in ihrem Heimatort Reit im Winkl, dem letzten Wettkampf vor den Weltmeisterschaften. Evi Sachenbacher startet im 10-Kilometer-Rennen. Zuletzt, beim vorolympischen Test in Pragelato vor drei Wochen, hatte die Sportsoldatin geklagt, dass ihr die Spritzigkeit fehle, dass sie müde sei und immer wieder mal krank zwischendurch. „Wenn einer neben mir hustet, schnappe ich es auf.“ Sie hatte vermutet, dass ihr Immunsystem geschwächt sei durch das enorm gesteigerte Trainingspensum, das ihr Wolfgang Pichler auferlegt hat. Nach Weihnachten hatte sie ja noch mal lange, intensive Trainingseinheiten eingelegt, „die hätte ich vielleicht nicht machen sollen“, sagte sie.

Bei aller Euphorie, mit der sie in diese WM-Saison gestartet war, hatte Evi Sachenbacher freilich auch gewarnt: „Es kann sein, dass ich erst einmal platt bin und sich das ganze Training erst nächstes Jahr auszahlt.“ Aber sie hatte wohl nicht wirklich damit gerechnet, denn zuletzt sagte sie einigermaßen erstaunt: „Es kann sein, dass die Form wirklich erst nächstes Jahr kommt. Ich hoffe aber nicht, ich hoffe, dass das heuer noch was wird.“ Bundestrainer Jochen Behle ist jedenfalls optimistisch im Hinblick auf die WM: „Sie kann das hinkriegen. Die Basis ist da, jetzt muss die Regeneration dazukommen.“ Dazu hatte sie beim Trainingslager in Toblach Gelegenheit.

Bereut hat Evi Sachenbacher den Trainerwechsel noch nicht. „Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, neue Reize zu setzen“, sagt sie: „Und da muss man halt auch mit Konsequenzen rechnen.“ Wolfgang Pichler weiß, wie die für ihn aussehen: „Wenn es bei der WM schlecht für sie läuft, dann heißt es, der Pichler ist ein Trottel.“ Der 49-Jährige steht ja nicht in Diensten des Deutschen Skiverbands (DSV), sondern immer noch der schwedischen Biathleten, und dass sich Evi Sachenbacher aus den DSV-Strukturen gelöst und Pichler als Privattrainer engagiert hat, hat unter den deutschen Frauen doch für einige Unruhe gesorgt; vom „Egotrip“ war sogar die Rede.

Aber falls es doch nichts mehr wird in dieser Saison, kann Evi Sachenbacher zumindest aus dem Beispiel des Kollegen René Sommerfeldt Hoffnung schöpfen: Der hatte in der Olympiasaison 2001/02 auch sein Trainingsprogramm derart nach oben geschraubt, dass er bei den Spielen in Salt Lake City platt war. Er profitierte erst in den folgenden Jahren – zunächst als Zweiter und schließlich als Erster der Gesamt-Weltcup-Wertung. Solche Ergebnisse würden wohl auch Evi Sachenbacher wieder zum Strahlen bringen.