Ganztagsschule spart an Bildung

Die NRW-Schulministerin hält ihr Konzept der Ganztagsgrundschule für den richtigen Weg. Eltern und Bildungsexperten wünschen sich dagegen mehr Bildung und weniger Wellness am Nachmittag

AUS HAMMNATALIE WIESMANN

Anderthalb Jahre nach der Einführung der ersten Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfalen fühlt sich Landesschulministerin Ute Schäfer (SPD) in ihrer Politik bestätigt. „Die Offene Ganztagsschule hat zu einer Aufbruchstimmung an den Schulen geführt, Kreativität freigesetzt und dazu beigetragen, dass Kinder lieber in die Schule gehen wie bisher“, sagte sie am Freitag auf einem Kongress und berief sich dabei auf eine neue Pilotstudie, die in 24 Schulen in Dortmund, Münster, Soest und Köln durchgeführt wurde. Befragt wurden Eltern, LehrerInnen und die GestalterInnen des Nachmittagsprogramms.

Dass Ruhrgebietsstädte wie Dortmund und Schwerte dabei sind, ihre gesamten Grundschulen um ein Betreuungsangebot am Nachmittag zu verlängern, gibt der Ministerin weiteren Auftrieb. Zu den über 700 Schulen im Land, die bisher in Ganztagsgrundschulen umgewandelt wurden, sollen bis zum Jahr 2007 noch 2.300 dazu kommen. Auch Hans Konrad Koch vom Bundesbildungsministerium lobte die Vorreiterrolle NRWs bei der Grundschulreform.

Doch es gibt nicht nur positive Stimmen. Während die Eltern laut Umfrage bei ihren Kindern mehr Lust auf Schule erkennen konnten – die Kinder selbst sollen erst in einer kommenden Studie befragt werden – halten sie das Förder- und Lernangebot für verbesserungswürdig. „Der Nachmittag darf nicht zum Erholungs- und Wellness-Angebot verkommen“, sagt auch Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut. Er bringt ein weniger erfreuliches Ergebnis der Studie auf den Tisch: „Auch wenn jetzt mehr Kinder ihre Hausaufgaben machen, konnten die Lehrer noch keine positive Rückwirkung auf die Schulleistungen feststellen.“

Udo Beckmann, Vorsitzender vom Verband für Erziehung und Bildung NRW, hatte das Konzept Ganztagsschule bereits vor seinem Start als „Halbtagsschule mit anschließender Suppenküche“ geschimpft. „Die Ganztagsgrundschule bleibt ein Sparmodell“, sagte auch Jochen Bussmann von der evangelischen Kirche in Westfalen auf dem Hammer Kongress der taz. Mit der individuellen und fachlichen Betreuung in den Horten, aus denen das Land seine finanzielle Beteilung bis zum Jahr 2007 vollständig zurückziehen will, ließe sich die Ganztagsgrundschule nicht messen. „Es müssen mehr LehrerInnen die Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag übernehmen“, sagt er. Zurzeit sind damit vor allem arbeitslose Erzieherinnen betraut.

Bussmann moniert zudem die ungleichen Bedingungen, unter denen die Kommunen den Ausbau des Ganztagsangebotes gestartet haben. „Während die Stadt Düsseldorf enorm viel eigenes Geld in die Schulen steckt, können es sich die ärmeren Kommunen wie Gelsenkirchen oder Gladbeck kaum leisten, neue Nachmittagsangebote zu gestalten“. Die Kommunen müssen ein Drittel der Personalkosten selbst zahlen. Es ist ihnen zwar gestattet, ihren eigenen Anteil über Elternbeiträge wieder hereinzuholen. „In sozial schwachen Regionen ist dies aber kaum möglich, weil arme Familien kein Schulgeld zahlen“, so Bussmann.