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Archiv-Artikel

Häftling wechsle dich

STRAFVOLLZUG Schwarz-Grün trifft Richtungsentscheidung zum Umbau des Haftsystems. Glasmoor wird geschlossen, offener Vollzug in drei Jahren nach Fuhlsbüttel verlagert

Strafvollzug in Zahlen 

An fünf Standorten sind Häftlinge untergebracht: 550 in Billwerder (geschlossen), 610 in Fuhlsbüttel (geschlossen, Sozialtherapie & Abschiebehaft), 450 am Holstenglacis (U-Haft), 180 in Glasmoor (offen) und 170 in Hahnöfersand (Jugendliche & Frauen).

■ Die Gefangenenzahl geht zurück: von 3.206 am 30. 6. 2003 auf 1.971 am 4. 3. 2009.

■ Insgesamt verfügt Hamburg über 2.867 Haftplätze. Rund 900 – also fast ein Drittel – davon sind derzeit nicht belegt.

VON MARCO CARINI

Die Entscheidung über die lange diskutierte Verlagerung und Schließung von Hamburger Haftkapazitäten ist gefallen. Der offene Strafvollzug soll – mit nun 300 Plätzen – zukünftig im Haus 1 in Fuhlsbüttel untergebracht werden. Zu diesem Zweck soll das baufällige Gebäude – mit einem Instandsetzungsstau von rund 13,7 Millionen Euro – abgerissen und für rund 25 Millionen Euro bis 2012 neu erbaut werden.

Die Anstalt Glasmoor in Norderstedt soll geschlossen werden. Unangetastet bleibt die Haftanstalt Billwerder, in der auch künftig nur Häftlinge im geschlossenen Vollzug untergebracht werden. Diese Richtungsentscheidung stellten am Mittwoch die Justiz-Experten der Koalitionsfraktionen, Farid Müller (GAL) und Viviane Spethmann (CDU), der Öffentlichkeit vor.

Durch das Häftling-wechsle-dich-Konzept einschließlich Glasmoor-Schließung werden etwa 300 Haftplätze abgebaut und damit die von Ex-Justizsenator Roger Kusch (CDU) errichteten Rekord-Überkapazitäten im Strafvollzug reduziert. „Dass wir einen Standort schließen, bringt uns auch nachhaltige Einsparungen“, sagt Farid Müller. Seine Kollegin Spethmann beziffert die Reduzierung der Betriebsmittel allein durch die Glasmoor-Schließung auf rund 300.000 Euro jährlich.

Auffällig: Nicht Justizsenator Till Steffen (GAL) stellte das neue Haftkonzept vor, sondern die Fachsprecher der Bürgerschaftsfraktionen. Der Grund: CDU und GAL wollen in der Justizpolitik – einem Feld in dem beide Parteien vor Eintritt in die Koalition weit auseinander lagen – Einigkeit demonstrieren. Zudem deckt sich das Konzept nicht mit den Vorstellungen Steffens, der für eine Übersiedlung des offenen Vollzugs nach Billwerder bei einer gleichzeitigen Verdoppelung der Kapazitäten des offenen Vollzugs von heute 200 auf dann 400 Plätze gestritten hatte. Allerdings – so heißt es aus Steffens Umfeld – könne der Senator „mit dem gefundenen Kompromiss ganz gut leben“.

„Eine Teilung Billwerders in einen Bereich des offenen und einen des geschlossenen Vollzugs wäre teurer gekommen“, sagt Spethmann. Da die CDU die Kapazitäten des offenen Vollzugs gern bei 200 Plätzen belassen hätte, trafen sich die Koalitionäre in der Mitte bei 300 Plätzen. Ihren „kleinsten gemeinsamen Nenner“ hätten CDU und GAL nun festgeschrieben, sagt die SPD-Rechtsexpertin Jana Schiedek. Sie fordert, dass das bislang „ausschließlich in Hinterzimmern“ ausbaldowerte Konzept bereits kommende Woche im Rechtsausschuss der Bürgerschaft debattiert werden soll. Anschließend müssten auch die Fuhlsbüttler Anwohner angehört werden, da es bei einem offenen Vollzug zu „Konflikten mit der Nachbarschaft“ kommen könne. Auch sei die Reduzierung der Haftplätze um 300 angesichts einer Überkapazität von heute 1.000 Haftplätzen kein „großer Wurf“.

Christiane Schneider von der Linkspartei hingegen empfindet die nur geringe Aufstockung der Plätze des offenen Vollzugs als „absolut enttäuschend“. Schneider: „Eine Wende in der Strafvollzugspolitik sieht anders aus.“