700 Tonnen Ariane in die Luft gejagt

Im Bremer EADS-Werk ging es am Samstag um alles oder nichts: Der zweite Versuch der „Ariane 5-ECA“ musste einfach klappen. Und er klappte. Nach dem erfolgreichen Test dürfen die EADS-Ingenieure jedes Jahr sechs dieser Trägerraketen bauen

Bremen taz ■ „Flight 164“ stand am Samstag an, der 164. Start einer Ariane – das klingt nach Routine. Im Konferenzzentrum der Bremer Raketenbauer von der EADS versammelten sich dennoch mehrere hundert Gäste, weil dieser „Flight“ ein ganz besonderer war: Auf der Rampe in Kourou in Französisch Guyana stand die „große“ Ariane vom Typ „5-ECA“, die knapp zehn Tonnen Nutzlast in Umlaufbahnen von 36.000 Kilometer Höhe schießen kann. Die bisherige Ariane 5 schaffte nur gut die Hälfte – der Startpreis für Kommunikationssatelliten halbiert sich somit bei der neuen Ariane. Die Neue soll in zwei Jahren auch die Nachschubversorgung für die Raumstation übernehmen.

Im Dezember 2002 war der erste Start gescheitert. Nach drei Minuten kam die Rakete wegen eines Haarrisses am Kühlsystem vom Kurs ab und musste gesprengt werden. Nun also der zweite Versuch – einen neuen Misserfolg hätte sich die ESA kaum leisten können. Für die Bremer Raketenbauer war es dennoch der erste Test, denn in Bremen wird die „Oberstufe“ gebaut, und bis zu deren Einsatz war die Ariane vor drei Jahren gar nicht gekommen. „Das Ding wird fliegen. Wenn es nicht fliegt, dann…“, meinte EADS-Chef Josef Kind am Samstag bedeutungsschwer: „… dann tut das richtig weh.“

Sechs Raketen sollen pro Jahr gebaut werden, die ESA hat 30 Aufträge unterschrieben. Aber, so Kind, „das Leben an sich ist ein Risiko. Es bleibt immer ein Rest.“ Bald zwei Milliarden Euro hat die Entwicklung dieser neuen Ariane seit dem Jahre 1998 gekostet.

Um 20.49 Uhr sollte der Motor gezündet werden, sieben Sekunden später würde der 46 Meter hohe und 710 Tonnen schwere Koloss, 633 Tonnen davon Treibstoff, abheben. Gebannt verfolgen die Mitarbeiter und Gäste im EADS-Werk am Bremer Flughafen das Geschehen auf einer großen Leinwand. Die Uhr läuft rückwärts, Countdown. Bei Sekunde 00.59 bleibt die Uhr stehen – ein Moment atemloser Stille. Der Computer sagt die Startautomatik ab. Eine knappe Stunde haben die Techniker, den Fehler zu finden und zu entscheiden, ob doch ein Start gewagt werden soll. Es liege an einem der Druckmesser für die Feststofftanks gewesen, sickert durch. Die EADS-Gesellschaft wartet. Alles vorbei? Die Uhr steht, sie ist auf „16.00“ zurückgestellt. Um 21.47 Uhr beginnt sie plötzlich wieder zu laufen. Ein zweiter Countdown, 16 Minuten diesmal.

Kourou sei sehr geeignet, sagt der Chefingenieur der Ariane 5, Horst Holsten. Nicht nur, zum einen wegen der stabilen Wetterlage – bei Winden wie in Bremen am Samstag hätte die Rakete nicht abheben dürfen. Kourou ist auch näher an der äquatorialen Umlaufbahn, 20 Prozent des Treibstoffs spart man im Vergleich zu anderen Startorten. Und man sei in der alten südamerikanischen Kolonie Guyana rechtlich „mitten in Europa“.

22.03 Uhr: Der Koloss hebt mit mächtigem Getöse ab. Neun Minuten später, die Rakete ist längst aus der Reichweite der Kameras hinausgeflogen, kommt für die Bremer EADS-Ingenieure der entscheidende Moment: Die Bremer Oberstufe wird gezündet. Der Vorgang verläuft reibungslos, Beifall im Konferenzzentrum der EADS.

Nach 26 Minuten setzt die Ariane ihre Fracht frei, den „Fernmeldesatelliten XTAR-EUR“, wie es vornehm heißt. Das Ding ist ein spanisch-amerikanischer Militäraufklärer, der nun über dem Nahen Osten steht. kawe