: Brückenentscheidung in Berlin
OSTSEEBRÜCKE Heute will der Bundestag den Staatsvertrag für die Fehmarnbeltbrücke billigen. Kieler Weltwirtschaftsinstitut bezweifelt Finanzierbarkeit des Projekts
Am Mittwoch demonstrierten erneut 500 Menschen in Timmendorfer Strand gegen den Bau der Fehmarnbelt-Brücke. Gegner des Projekts warnten vor Umweltschäden, dem Verlust von Arbeitsplätzen und hohen Kosten.
■ Der Bau der Fehmarnbelt-Brücke berge ökologische Risiken: 66.000 Schiffe würden jährlich unter der Brücke hindurch fahren. Außerdem behindere die Brücke 20 Millionen Zugvögel.
■ Zudem bescheinigten Verkehrsexperten, dass sich das Projekt nicht rechne. Die Auslastung wäre mit maximal 8.000 Autos täglich deutlich zu niedrig.
■ Der grüne Bundestagsabgeordnete Rainder Steenblock nannte den Bau ein „überflüssiges Prestigeprojekt der Dänen“. (lmk)
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Das zurzeit größte und teuerste Infrastrukturprojekt der Europäischen Union soll am Abend im Bundestag gebilligt werden. Der Staatsvertrag mit Dänemark zur Überbrückung des Fehmarnbelts wird aller Wahrscheinlichkeit nach mit der großen Mehrheit der Regierungsfraktionen CDU und SPD sowie der oppositionellen FDP verabschiedet werden. Grüne und Linke werden gegen das Projekt stimmen.
Mindestens 5,6 Milliarden Euro will sich Dänemark die Anbindung an den Kontinent kosten lassen, auf deutscher Seite sollen Bund und Bahn für etwa 1,2 Milliarden Euro die Straßen und Schienen zwischen Lübeck und Fehmarn ausbauen. Ein Schnäppchen also könnte der Bau werden – wären die Zahlen nicht hoffnungslos veraltet.
Der Bundesrechnungshof hat bereits gerügt, dass die dem Parlament vorgelegten Zahlen zu den Kosten der Straßen- und Bahnanbindungen auf Preisen aus dem Jahr 2002 basieren. Ein erhoffter Zuschuss der EU stehe zudem „auf der Kippe“. Auch habe das Bundesverkehrsministerium selbst eingeräumt, dass für Großprojekte Preissteigerungen von 60 bis 100 Prozent nichts Ungewöhnliches seien.
Für die vor Jahren mit 4,4 Milliarden Euro veranschlagte Fehmarnbelt-Brücke würde das eine Kostenspanne von 6,8 bis 8,8 Milliarden Euro bedeuten. Der Ausbau der Zuwege in Schleswig-Holstein würde sich demnach auf mindestens 1,7 Milliarden Euro erhöhen. Auch wegen „zu optimistischer Verkehrsprognosen“ werde sich das Projekt „nicht refinanzieren“, so der Rechnungshof. Die Befürworter der Fehmarnbelt-Querung übergehen das. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Jörn Biel (CDU) spricht unverdrossen von einem „Schlüsselprojekt“. Auch der Präses der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, Bernd Jorkisch, erwartet von einer festen Querung positive wirtschaftliche Effekte für ganz Nordeuropa.
Vor zwei Wochen erst hatten sie auf der internationalen Fehmarnbelt-Konferenz in Lübeck den Druck auf die Politik in Berlin erhöht. In einer „Lübecker Erklärung“ vereinbarten Hamburg, Schleswig-Holstein, die dänischen Regionen Seeland und Kopenhagen sowie das südschwedische Schonen eine intensivere Kooperation. „Der Bau der physischen Brücke beginnt 2012“, sagte Bernd Rohwer, Chef der Lübecker Handelskammer, „aber der Bau der mentalen Brücke beginnt jetzt“.