: Vierpunkt darf schwul sein
Ein Besuch im Bremerhavener Zoo: Kein Pinguin wird dort zu Heterosex gezwungen, alle haben freie Partnerwahl
Schrägstrich und Vierpunkt kuscheln sich in ihrer Nisthöhle aneinander. Niemand hält die beiden Pinguinmännchen davon ab, kein Wärter drängt sich am Valentinstag zwischen das junge Glück und zwingt sie zu Heterosex mit einem aus Schweden importierten Weibchen.
Homophobie im Bremerhavener Zoo am Meer? Wohl eher friedliches Nebeneinander verschiedener sexueller Identitäten. Ein paar Höhlen weiter bereitet sich ein Heteropärchen auf die Eiablage im März vor, von sechs nistenden Paaren sind drei gleichgeschlechtlich. Die sechs Schweden – darunter auch zwei Männchen – ziehen im Pool ihre Bahnen, Janna Fautz guckt zu. Seit drei Wochen dokumentiert die Diplombiologin die Annäherung der „Neuen“ und der „Alten“. Allein, es gibt nicht viel zu dokumentieren. „Keine Kontakte“, sagt Fautz. Eine Woche noch wird sie täglich drei bis fünf Stunden im Gehege hocken, sich den nassforschen Vierpunkt vom Leib halten und den weißen Spritzern ausweichen, die von den Pinguinen in regelmäßigen Abständen und flachem Winkel über den Fels gefeuert werden. Und darauf warten, dass endlich etwas passiert, dass sich einer aus der Schwedenbande – sei es Männchen oder Weibchen – an die Bremerhavener heranwagt. Oder umgekehrt. Nach dieser Woche wäre eine Annäherung ein wahres Wunder, denn die Phase der Paarbildung ist bereits abgeschlossen, wie Schrägstrich und sein Partner demonstrieren.
„Wie man sieht, lassen wir sie in Ruhe“, sagt Fautz und erklärt, dass der Zoo keine sexuelle Umorientierung betreibt, sondern auf Nachwuchs der bedrohten Humboldt-Pinguine (Foto) hofft. Bisher gab es nur ein Paar, das sich fortpflanzt. Aus der Annahme heraus, dass ein Verhältnis von vier Weibchen zu zehn Männchen unter Reproduktionsgesichtspunkten eher ungünstig ist, entschied sich die Zooleitung, die Frauenquote hoch zu setzen – und geriet damit in die Schlagzeilen, Schwulenverbände protestierten. Manch einer gibt Fautz auch Tipps, wie sie die schwulen Pinguine langsam an die Heterosexualität heranführen soll.
Die Pinguine sind weniger festgelegt. Ein Männchen stellt sich zwischen „sein“ Weibchen und ein sich näherndes Männchen, um klar zu machen, wer hier mit wem, erklärt Fautz. Ein Single auf der Suche nach Liebe? „Nee, der hat eigentlich einen Freund.“ Eiken Bruhn