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Archiv-Artikel

Da hilft nur Aushalten

Schuldgefühle – ein Thema besonders für Frauen. Die Therapeutin Bärbel Heise referierte über Herkunft und Zweck von Schuldgefühlen. Und zeigte auf, wie es sich damit besser leben lässt

Von sgi
Der klägliche masochistische Versuch, über andere Macht zu haben

Bremen taz ■ „Meine Mutter“, lautet die häufigste Antwort einer kleinen Spontanumfrage nach der ersten Assoziation zum Thema „Schuldgefühle“. „Schön aufessen, sonst ist Mama traurig“ oder „warum kümmerst du dich nicht um mich?“, das sind Klassiker, die auch den vielen Frauen im Frauenbildungszentrum belladonna einfielen, als jetzt die Psychotherapeutin und Supervisorin Bärbel Heise zu dem komplexen Thema referierte und aufzeigte, wo Schuldgefühle herkommen und wie sich vielleicht mit ihnen umgehen lässt. Denn Frauen plagen sie ganz besonders. „Vielleicht“, lautete eine provokante These an jenem Abend, „sind wir als Frauen sowieso schuld.“

Heise unterscheidet verschiedene Formen von Schuldgefühl – das Sowieso-Schuld-Gefühl gehört da auch hinein und hat viel mit gesellschaftlicher Prägung und wenig mit der jeweiligen Persönlichkeit zu tun. „Adam schiebt die Schuld auf Eva“, so Heise, und selbst wer denke, das seien alles „olle Kamellen“, ist dennoch davon geprägt – daher das so genannte „Eva-Syndrom“, das meint „die Bereitschaft von Frauen, sich für Alles jederzeit verantwortlich zu fühlen und Schuldgefühle zu haben.“ Ganz egal ist dabei, dass die Stellung von Frauen in anderen Kulturen und Zeiten eine viel stärkere war. Heise: „Schuldgefühle haben viel mit Werten zu tun. Frauen werden immer noch stark abgewertet oder fühlen sich so.“ Weil sich Frauen die Schuldgefühle immer selber machen, erwische es sie besonders hart: „Sie sind sich selbst die härtesten Kritikerinnen.“ Männer, sagt die Therapeutin, seien erfolgreicher im Verdrängen, könnten eigene Schuldgefühle besser auf andere projizieren. „Frauen trauen sich weniger, ihre Aggressionen zu leben und haben mehr Schuldgefühle.“

Dann aber passiert etwas ganz Gemeines. „Wenn wir uns selbst die Schuld geben, gehen wir oft in die Opferrolle und werden klein“, so Heise. Die Botschaft: Du bist toll, und ich bau’ Mist. Dahinter stehe aber für die vermeintlich Schuldige das Gegenteil, nämlich die innere Haltung: In Wahrheit aber bin ich die Tolle und du der Depp. Die Kehrseite des Minderwertigkeitsgefühls heißt Selbsterhöhung. Und hilft nur für den Moment.

Bei Trennungen werden Schuldgefühle oft ganz wichtig: Manchmal seien sie das letzte, das eine Beziehung noch zusammenhalte, erklärt Heise.

Schuldgefühle können auch zur Manipulation dienen. „Wenn jemand viel zu schnell eine Schuld anerkennt – dann will eine genau das Gegenteil erreichen: Dass der andere Schuldgefühle bekommt.“ Aber nicht nur für andere, auch für die eigene Selbstmanipulation eignen sich Schuldgefühle bestens. Der Spruch „Du rufst ja nie an!“ macht dem Gegenüber zwar Bauchweh, aber verhindert auch, selbst klar zu sagen, was Sache ist – nämlich: „Ich möchte deine Nähe.“ Denn sich so zu outen, birgt das Risiko der Enttäuschung. Diese und andere Verhaltensweisen nennt Heise „den kläglichen masochistischen Versuch, über andere Macht zu haben.“

Bei all dem hilft nur eins, so Heise: „Aushalten!“ Das gilt so nicht für Schuldgefühle mit traumatischem oder anderem therapiebedürftigen Hintergrund. Aber den Alltags-Schuldgefühlen lässt sich nur mit Gelassenheit begegnen – weil die Welt sich nicht in Gut und Böse teilen lässt und es daher schlicht unmöglich ist, stets auf der guten Seite zu sein. „Aufrichtig sich selbst ansehen, Fehler bedauern und sich von perfektionistischen Idealen verabschieden“, empfiehlt Bärbel Heise. Anstelle strengen Aburteilens trete dann „Nachsichtigkeit und Liebe“. sgi