der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR :
… stößt höchst selten auf Interesse. Der kompetente Blick aufs schwule Leben ist in den Medien so rar wie deren Beschäftigung mit Kronkorkensammlern am Hindukusch. Klar, um die Klischees kümmert man sich: Früher waren es die Kinderficker, die ab und an seziert wurden, zu Aids-Zeiten abgelöst von den Virenschleudern, und heute sind es die Paarungswilligen, denen partiell die öffentliche Aufmerksamkeit gehört. Aber darüber hinaus? Als Homosexueller zum Beispiel ein homosexuelles Buch zu schreiben, auf dem auch „homosexuell“ draufsteht, ist das sicherste Kassengift, kein schwuler Autor schafft es ins Hetero-Feuilleton, kein Dichter, kein Maler, kein Wissenschaftler. Der Geruch von „Betroffenheit“ klebt an ihnen wie der von frischem Hundeschiss, ihr Platz ist in jener Nische, die der gesellschaftliche Fortschritt für sie aufgestellt hat: Mehr ist nicht drin!
Hin und wieder reißt ein Homo-Event die Journaille aus ihrer Lethargie und sie reportieren mehr als nur die übliche CSD-Prosa. Wie unlängst nach dem Tod des Münchner Krawattenhändlers Moshammer. Das schwule Leben des Hundeliebhabers ließ doch manche Frage aufblitzen, die es galt aufzuklären: Was machen homosexuelle Männer nachts, wenn sie nicht in komfortablen Karossen durch rotlichterne Straßen kariolen? Und: Führen alle Schwulen vom gleichen Jahrgang ein ebensolches Leben wie vor kurzem noch Moshammer selig? Zur Beantwortung der temporär drängenden Fragen stiegen tapfere Bild-Reporter in die Darkrooms der Republik, fanden „enge Pappverschläge“ und hörten überall „Stöhnen, Röcheln“. Auch die Generationenfrage war schnell geklärt: Selbstverständlich sind es nur die alten Säcke, die hier verkehren, denn: „Junge Schwule wollen es längst anders. Sie suchen sich nette, helle Bars. Ihre Partys haben keine Darkrooms mehr.“ Die gleiche Lüge von den properen Boys versus alte Fickfrösche auch in der taz: „Mehr und mehr Schwule, vor allem junge, nachwachsende, lehnen die ‚Schöner ficken‘-Kultur samt Dunkelräumen ab.“ Keine Propaganda funktioniert ohne Pathos: „Man lernt, die Verliese zu meiden, weil draußen kaum noch Feindesland ist.“
Die schwule Subkultur ist so vital wie nie zuvor. Gab es 1978 nur einen Darkroom in der Kapitale der Anderen, so sind es heute 17, die in Berliner Gay Guides annonciert sind – jeder Wirt auf der Suche nach dem schnellen Geld knipst im Hinterzimmer einfach das Licht aus. Dazu kommen zehn Cruising-Kinos, vier Saunen sowie diverse Fick- und Fetischpartys. Und jeder Mann über 45 kann sich getrost den Weg sparen zu diesen Lokalitäten: „Kein Einlass! Wir sind ein Club!“, heißt es dort, oder deutlicher: „Greise bleiben draußen!“ So viel zum Mythos von der befreiten Jugend in den befreiten Räumen und den tattrigen Lustmolchen im dusteren Versteck.
Die perfide Distinktion in Schmutzige und Anständige ist Teil der aktuellen Offensive, den homosexuellen Mann zu domestizieren. Doch Pustekuchen – die abgewehrte Promiskuität schafft sich andere Orte, das Begehren ist so leicht nicht einzufangen. Das wissen auch die Propagandisten der neuen Zeit – und zwingen den Schwulen zum Doppelspiel. Als hätte er davon nicht genug gehabt.