Bestellt das Aufgebot!

Die Hochzeit von „Tagesspiegel“ und „Berliner Zeitung“ darf nun doch stattfinden. Die Neufassung des Kartellrechts macht die Quasi-Fusion möglich – und die großen Printverlage zu Gewinnern

Was lange währt, wird nun – ein fauler Kompromiss. Die rot-grüne Koalition hat sich weitestgehend auf eine Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse geeinigt. Die Konsequenz wird schon bald in Berlin zu besichtigen sein: Holtzbrincks Tagesspiegel kann mit der Berliner Zeitung bis auf den redaktionellen Bereich zusammengehen. Denn nach taz-Informationen sieht die Neuregelung vor, Kooperationen bei Anzeigengeschäft, Druck, Vertrieb und den übrigen Verlagsbereichen von bis zu 5 Zeitungen zuzulassen.

Als Zeitung gelten hierbei Vollredaktionen, so genannte Publizistische Einheiten. Kooperieren dürfen die Verlage aber nur, wenn „wirtschaftliche Erforderlichkeiten“ dies nötig machen. Ob dem so ist, soll das Bundeskartellamt mit einem entsprechenden Kriterienkatalog prüfen. Dem seit Jahren defizitären Tagesspiegel wird es nicht schwer fallen, seine Bedürftigkeit nachzuweisen.

Ebenfalls beschlossene Sache sind die Neuregelungen für echte Fusionen von Zeitungen. Die „Aufgreifschwelle“, ab der das Kartellamt Zusammenschlüsse zwingend prüft, wird wie erwartet von bisher 25 Millionen auf 50 Millionen Euro Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen angehoben. Neu wird die Bagatellklausel in das Gesetz eingeführt: Zeitungen mit jährlich weniger als 2 Millionen Umsatz (derzeit immerhin 23 Titel) dürfen ohne Anmeldung beim Kartellamt geschluckt werden.

Die Liberalisierungsbefürworter haben sich also durchgesetzt. Klare Sieger sind die großen Verlagsgruppen von Springer bis WAZ. Denn auch sie können jetzt weitere Titel an sich binden – solange die Redaktionen unabhängig bleiben. Das bisherige Kartellrecht setzte solchen halben Fusionen engere Grenzen. „Der Knackpunkt wird jetzt die Prüfung der Erforderlichkeit“, sagte gestern der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken: „Da hilft die Kontrolle durch das Kartellamt nur begrenzt.“

Und was ist mit dem dem offiziellen Hauptziel, das Überleben kleinerer und mittlerer Verlage in der Krise zu sichern? Das, sagen Insider, war eh nur vorgeschoben – zumal viele solche Verlage untereinander schon heute oft weiter kooperieren, als es die Rechtslage formal erlaubt.

Die Gewinner sitzen nun im Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern. Die Tagespiegel-Berliner-Zeitung-Posse müsse endlich vom Tisch, hatte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) verfügt. Doch auch für ihn ist es nur ein halber Sieg: Denn das Kartellamt spielt weiterhin eine wichtige Rolle in der Zeitungslandschaft. Dessen Präsident Ulf Böge hat immer klar und vehement gegen eine weitreichende Liberalisierung bei der Presse argumentiert. STEFFEN GRIMBERG