: Ein Mitläufer wird Werbeträger
In Oberhausen dient Paul Reusch als Vorbild, Straßenname und Ehrenbürger. Zur wenig vorbildlichen Rolle des Kommerzienrates in der NS-Zeit wird geschwiegen
OBERHAUSEN taz ■ 1.500 Reichsmark stiftete der Oberhausener Industrielle Paul Reusch 1918 dem Deutschen Museum in München. Die Zinsen sollten alljährlich einem Oberhausener Schüler oder jungen Arbeiter eine Reise an die Isar zum Studium der dort ausgestellten Meisterwerke der Technik ermöglichen. Grund genug für die Oberhausener Stadtsparkasse, Reusch jetzt in der Werbung für ihre „Stiftung Oberhausener Bürger“ auf Bussen der Stadtwerke als „Vorbild“ zu präsentieren, dessen „Handeln man in die Gegenwart übertragen“ wolle.
Man habe sich vergewissert, so das Kredithaus, dass Reusch, der den Gutehoffnungshütten-Konzern (GHH) von 1909 bis 1942 leitete, kein Nazi gewesen sei, heißt es. Auch habe er sich nicht, wie andere Industrielle, in den letzten Monaten der Weimarer Republik für die Reichskanzlerschaft Hitlers eingesetzt. Der Oberhausener Historiker Peter Langer (siehe Interview) hat sich eingehend mit dem Lebensweg von Reusch befasst. Für ihn war der Wirtschaftslenker hingegen ein eingeschworenen Feind der Demokratie und Nationalist.
Für Reuschs Ablehnung der Weimarer Republik gibt es viele Belege: Im Mai 1932 schreibt er in Richtlinien für die damals zum GHH-Konzern gehörenden Münchner Neuesten Nachrichten: „Die Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen in einem großdeutschen Reich der Zukunft ist zu erstreben. (...) Das demokratisch-parlamentarische System von Weimar ist die letzte Wurzel vieler Übel. (...) Koalitionen mit den Sozialdemokraten sind grundsätzlich abzulehnen, mit den Nationalsozialisten grundsätzlich zu fördern.“ Während der Nazizeit war die GHH wesentlich an der Aufrüstungspolitik beteiligt: Sie war eines von vier Großunternehmen der Metallurgischen Forschungsgemeinschaft (Mefo), mit deren Wechseln ein großer Teil der Rüstung verdeckt finanziert wurde. Reuschs Tätigkeit im Widerstand – wie sie hin und wieder behauptet wurde – ist nicht nachweisbar, sein erzwungener Abgang aus der Führung der GHH 1942 ist vermutlich auf wirtschaftspolitische Konflikte mit dem Regime zurückzuführen.
In der Werbung für die Bürgerstiftung hat die Oberhausener Stadtsparkasse nun Paul Reusch ausgerechnet mit Luise Albertz zusammenspannt. Der Vater der Sozialdemokratin und langjährigen Oberbürgermeisterin kam in einem Konzentrationslager der Nazis ums Leben. Bislang will sich die Stadt Oberhausen nicht zum Thema äußern: Seit 1913 ist „Kommerzienrat“ Paul Reusch Ehrenbürger. Auch eine Hauptstraße trägt seinen Namen. ULRICH BREITBACH