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Archiv-Artikel

Zehn hoch klug im Villenvorort

Schulbehörde prognostiziert steigende Schülerzahlen an Gymnasien in wohlhabenden Stadtteilen und sinkende in armen. Spitzenwert in Othmarschen mit 140 Prozent

„Sind Kinder in Othmarschen zehnmal klüger als in Barmbek?“, fragt sich Michael Bartsch vom Personalrat Gymnasien, nachdem er die Prognosen für den Schulentwicklungsplan 2005 bis 2015 studiert hat. Denn der Vergleich von sechs Regionen zeigte eine verblüffende Tendenz: Geht die Behörde in dem reicheren Stadtteilen von steigenden Übergangsquoten zum Gymnasium aus, so werden diese in den ärmeren Vierteln klein gerechnet.

Beispiel Lurup, Osdorf, Osdorfer Born: In dieser Region wechselten zum Zeitpunkt der Erstellung der Prognose nur rund 17 Prozent der SchülerInnen nach der vierten Klasse in die Beobachtungsstufe eines Gymnasiums. Die Bildungsbehörde geht nun davon aus, dass sich diese sehr magere Übergangsquote – der Hamburger Durchschnitt liegt bei 45 Prozent – bis 2010 auf 12 Prozent verringert.

Ähnlich pessimistisch ist die Voraussage für Altona-Altstadt und Altona-Nord. 2003 besuchten hier 34 Prozent eines Jahrgangs die Beobachtungsstufe des Gymnasiums, 2010 sollen es nur noch 26 Prozent sein. Nach unten gehen soll die Kurve auch in der Barmbeker Region „Nord 3“, in der sich das umkämpfte Gymnasium Uhlenhorst-Barmbek (GUB) befindet. Statt bisher 49 Prozent sollen dann nur noch 44 Prozent zum Gymnasium.

Vor Optimismus strotzen dagegen die Prognosen für die Elbvororte und die Walddörfer. In Wellingsbüttel, Sasel, Poppenbüttel und Hummelsbüttel schaffen, so Bartschs Rechnung, heute schon 61 Prozent den Sprung Richtung Abitur, 2010 sollen es 65 Prozent sein. Auch in Nienstedten, Blankenese, Rissen und Sülldorf steigt deren Zahl von 53 auf 55 Prozent. Und in Othmarschen und Groß Flottbek steigt dieser Wert von heute schon sensationellen 101 Prozent auf 140 Prozent an, weil nicht nur 60 Prozent aus der Region, sondern etliche Schüler aus den Nachbarorten zum Gymnasialdreieck Christianeum, Hochrad und Willhöden streben.

Um die Stärke eines Jahrgangs zu ermitteln, hatte Gymnasiallehrer Bartsch die Zahl der Grundschüler durch vier geteilt. Doch so, hält nun die Bildungsbehörde dagegen, dürfe man nicht rechnen, da zahlreiche Schüler umziehen. Auch gebe es bestimmte Gymnasien, die häufiger aus Nachbarregionen angewählt werden.

„Ich bleibe bei meiner Rechnung. Bei Prognosen muss man einen allgemeinen Ansatz wählen“, hält Bartsch dagegen. „Schlimm“ sei, dass die Behörde die Benachteiligung bestimmter Stadtteile sogar vergrößere: „Wenn Sie Bildungspolitik zum Schwerpunkt machen, müssen Sie dafür sorgen, dass genau das Umgekehrte passiert.“ Hamburg könne es sich nicht leisten, zwei Drittel von der Hochschulreife auszuschließen. Die OECD fordert gar, dass mindestens die Hälfte eines Jahrgangs Abitur machen soll. Kaija Kutter