: Präsident will bei der Party draußen bleiben
US-Regierung sieht im Kioto-Protokoll nur Nachteile für die Wirtschaft. Einige Bundesstaaten sehen das anders
WASHINGTON taz ■ Wenn die Welt sich heute feiert, ist die Weltmacht nicht dabei: Die USA, für rund 25 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich, sieht im Kioto-Protokoll ein Instrument, das sie im Wettbewerb benachteiligt. Das Abkommen verpflichte nur die Industriestaaten zum Abbau der Treibhausgase, nicht aber aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China und Indien. Kioto werde die US-Wirtschaft rund 400 Milliarden Dollar und 4,9 Millionen Jobs kosten, meint die Regierung. Ursachen und Konsequenzen der Erderwärmung seien noch nicht hinreichend erforscht.
Bush setzt auf freiwillige Initiativen der Industrie und steuerliche Anreize. Als Zielvorgabe nannte er, dass die „Intensität“ der Emissionen bis 2012 um 18 Prozent gegenüber 2002 verringert werden soll. Mit dem Begriff hat Bush eine Formel eingeführt, die die Emissionen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt setzt. Angesichts des erwarteten Wachstums der USA bedeutet die Formel, dass der Treibhausgas-Ausstoß in absoluten Zahlen weiter steigen darf.
Das World Resources Institute in Washington schätzt, dass bei Fortsetzung der Klimapolitik bis 2012 absolut 30 Prozent mehr Klimakiller emittiert werden als 1990. Das Kioto-Protokoll hat dagegen festgelegt, dass die USA ihre Emissionen bis 2012 um sieben Prozent unter das Niveau von 1990 senken sollen.
Bush sieht weiterhin keinen dringenden Handlungsbedarf, obwohl selbst ein regierungseigener Forschungsbericht an den Kongress anerkannte, dass Kohlendioxid für die weltweite Erwärmung des Erdklimas verantwortlich ist.
Zudem wertete das Pentagon vor einem Jahr in einer Aufsehen erregenden Studie den Klimawandel als noch größeres Sicherheitsrisiko als den Terrorismus. Ein Gesetz zum Schutz der Luft, das Bush derzeit im Parlament durchzusetzen versucht, kritisieren Umweltverbände als Rückschritt. Dieser „Clear Skies Act“ enthält keine Maßnahmen gegen Kohlendioxid.
Dennoch gibt es Fortschritte beim Klimaschutz – in den Bundesstaaten. So einigten sich zwölf Ostküstenstaaten auf einen Plan, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2010 auf den Stand von 1990 zurückzuführen. Oregon und Washington an der Westküste verabschiedeten Gesetze, die Betreibern neuer Kraftwerke vorschreiben, ihre Emissionen bis 20 Prozent zu senken. Energieunternehmen können dieses Ziel auch durch Emissionshandel erreichen. Eine Vorreiterrolle übernimmt Kalifornien: Gegen den Widerstand der Automobilindustrie setzte der Staat durch, dass ab 2009 nur noch Wagen mit drastisch reduzierten Treibhausgaswerten verkauft werden dürfen. Umweltorganisationen sehen Bush daher zunehmend auch zu Hause isoliert. Da ein Kurswandel nicht zu erwarten sei, meint das Aktionsbündnis US Climate Action Network, müsse der „Rest des Landes für den Klimaschutz weiter um das Weiße Haus herumarbeiten“. MICHAEL STRECK