berlinale szene Der Krisentag!

Stumme Kinogänger

Es gibt immer diesen einen Krisentag. Diesen Tag, an dem die Berlinale in Arbeit ausartet und sich zu ziehen beginnt. Oft ist das kurz nach der Hälfte der Fall, so drei Tage vor Schluss (also heute) – danach setzt das Endspurtfieber ein, und alles ist wieder gut. Diesen einen Krisentag erkennt man daran, dass einem kein Film gefallen will (stattdessen sind Natursehnsüchte zu registrieren). Und daran, dass das Campusgefühl, das einen vorher so erfreut hat, plötzlich in Verfolgungswahn umschlägt.

Zu Beginn hat man sich noch sehr gefreut über die alten Bekannten, denen man am Potsdamer Platz über den Weg läuft. Diese italienischen Journalisten zum Beispiel, die bei den Wettbewerbsvorführungen immer in den vorderen Reihen sitzen. Ein Jahr lang hatte man sie nicht gesehen, man hatte sie sogar ganz vergessen – nun sind sie wieder da, so wie die Schwalben im Frühling und die Sofalust im Winter oder wie die FAS-Leute im 103. Und dann erst all die anderen Kollegen aus früheren Städten, von früheren Zeitungen! Was für ein Wiedersehen die Berlinale immer ist! Small world! Wie auf einem Campus eben.

An diesem einen Krisentag aber kann man sie alle nicht ertragen. Nun noch einen alten Kollegen zu treffen, das wäre das Letzte! Zum Glück scheint es aber allen ganz genauso zu gehen. So grüßt man sich an diesem Krisentag nur pflichtschuldig und geht dann eben gesprächslos ins Kino. DIRK KNIPPHALS