: In Bambuswäldern Phantome suchen
Betörende Koexistenz von Illusion und Entzauberung: Uchida Tomus „The Mad Fox“ (Sondervorführung Forum)
Es gibt nicht viel, was Füchse und Menschen teilen. Sie sehen einander nicht ähnlich. Die einen gehen auf vier, die anderen auf zwei Beinen, die einen haben weder die Gabe der Sprache noch die der Vernunft, die anderen sehr wohl. Das scheint so offenkundig, dass niemand daran zweifeln wollte. Der in Europa kaum, in Japan umso bekanntere Regisseur Uchida Tomu (1898–1970) hat es trotzdem getan und 1962 „The Mad Fox“ („Koi ya koi nasuna koi“) gedreht. Darin werden Menschen zu Füchsen und Füchse zu Menschen. Die Vermischung reicht so weit, dass ein Kind zur Welt kommt – oder eine Welpe, oder beides in einem? Um diesem Wesen einen Körper zu geben, könnte sich Uchida heute aller Tricks der computergestützten Erschaffung von Filmfiguren bedienen. Doch vermutlich käme er nicht auf den Gedanken, sie anzuwenden. Denn schon damals waren ihm Maske und eine Puppe genug, um seine außergewöhnlich reiche Vorstellungswelt ins Bild zu setzen.
Angesiedelt ist „The Mad Fox“ im höfischen Japan. Ein Wahrsager kommt um. Sein legitimer Nachfolger verfängt sich in einer gegen ihn gesponnenen Intrige, verliert darüber den Verstand und muss fliehen. So streift er durch gelbe Felder und dichte Bambuswälder, auf der verzweifelten Suche nach der Tochter des Wahrsagers. Doch auch sie ist dem Ränkespiel zum Opfer gefallen. Der junge Held läuft einem Phantom hinterher. Das nimmt neue Gestalt an, als er das Dorf erreicht, in dem die Zwillingsschwester der toten Geliebten lebt. Sie gleicht ihr aufs Haar. Später betritt noch eine junge Füchsin die Szene. Um die Verwirrung auf die Spitze zu treiben, gibt Uchida ihr das Aussehen der Zwillingsschwester.
Der flirrende Plot jedoch ist es nicht allein, was „The Mad Fox“ auszeichnet. Es ist vielmehr die an mehr als einer Stelle atemberaubende Verbindung von Theater und Kino, die dem Film glückt. Die Annahme, die eine Kunstform habe in der anderen nichts zu suchen, entpuppt sich als dumpfes Vorurteil. Das Kino leidet nicht, wenn es sich das Theater einverleibt – im Gegenteil: Es tritt an, über die Techniken der Illusion zu meditieren. Uchida benutzt Gesten, Gesänge und Kostüme des Kabuki-Theaters; er arbeitet mit einer Drehbühne, mit Prospekten und mit Kulissen, die ausstellen, dass sie aus Pappmachee gefertigt sind. Regisseure wie Takeshi Kitano („Dolls“) oder Lars von Trier („Dogville“) haben sich von der kühnen Vermischung einiges geborgt. Hinzu kommen bei Uchida abgefilmte Bilderrollen und Animationssequenzen sowie ein Faible für den Farbrausch: Mehr als einmal deliriert die Leinwand in Gelb. Die Künstlichkeit wird nie verheimlicht; nie versucht Uchida, auf der Ebene des Sichtbaren für Echtheitseffekte zu sorgen. Das ist das Wunder von „The Mad Fox“: Man sieht einen Menschen mit einer stilisierten Fuchsmaske und wird zugleich dazu gebracht zu glauben, man habe es mit einem Fuchs zu tun. Und diese Koexistenz von Illusion und Entzauberung ist betörend. CRISTINA NORD
„The Mad Fox“, 18. 2. 16.30 Uhr Delphi; 19. 2. 12.30 Uhr Arsenal, 22 Uhr Babylon