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Archiv-Artikel

ROT-GRÜN BETREIBT TAKTIK, ABER KEINE AUFKLÄRUNG Ein Marathon, den Fischer verliert

Mit erstaunlicher Sicherheit gelingt SPD und Grünen in diesen Tagen die Demontage ihres eigenen Führungspersonals. Die Entscheidung der Mehrheit des Untersuchungsausschusses, weder Joschka Fischer noch Ludger Volmer in den nächsten Wochen vorzuladen, mag mit Blick auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen sinnvoll sein. Das ist aber auch schon alles. Tatsächlich schadet sie der Regierung insgesamt – und sie läuft vollkommen den hehren Prinzipien des kleinen Koalitionspartners zuwider, für Offenheit in der Politik zu stehen.

Dass die Opposition versucht, mit Hilfe der Affäre Fischer Punkte zu sammeln, ist ihr nicht zu verdenken. Doch es geht längst nicht mehr um das übliche „Hau den Lukas“ im Berliner Politikgetriebe. Es sind bewiesene Tatsachen, begründete Vermutungen und laue Gerüchte in der Welt, die einer Aufklärung harren. Es geht nicht um irgendwelche Einkaufs-Chips eines Jürgen W. Möllemann oder rätselhafte Zuverdienste von Laurenz Meyer. Ein Ministerium der Bundesrepublik Deutschland hat es jahrelang nicht für notwendig befunden, eine ganz offensichtlich kriminalitätsfördernde Visapraxis zu korrigieren – trotz Warnungen von allen Seiten. An der Spitze des Auswärtigen Amts steht mit Joschka Fischer eine tragende Säule der Koalition. Ist es da nicht selbstverständlich, möglichst rasch um eine Aufklärung bemüht zu sein? Glauben die rot-grünen Koalitionäre ernsthaft, das Ganze weiterhin allein unter parteitaktischen Erwägungen abbuchen zu können?

Es scheint so. Doch das allzu durchsichtige Geplänkel um Fischers Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss wird ihnen nichts nützen. Wenn ein Fisch einmal stinkt, nützt es nicht mehr, ihn in Frischhaltefolie zu verpacken. Es werden weitere Akten ans Tageslicht kommen. Es werden neue Fragen zum Verhalten des Ministers und seiner Mitarbeiter gestellt werden. Diesen Marathon kann Fischer nicht gewinnen. Ob der Minister vor den NRW-Wahlen auftritt oder danach, ist für das Ergebnis des Ausschusses einigermaßen egal – aber nicht für das Erscheinungsbild der Regierenden. Möglicherweise auch nicht für die Zukunft des Ministers. KLAUS HILLENBRAND