LESERINNENBRIEFE
:

■ betr.: „Kann man die Linkspartei wählen?“, taz vom 20./21. 6. 09

Dampf unterem Hintern

Die Frage sollte präzisiert werden: Was kann man mit seiner Stimme für die Linkspartei erreichen? Eine Regierungsbeteiligung sicher nicht, das haben alle Beteiligten, auch aus der Linkspartei, ausgeschlossen. Aber eine starke und – zugegeben – radikale Linke in der Opposition macht den anderen Parteien doch erst den Dampf unterm Hintern, der sie veranlasst, linke Positionen einzunehmen. Machtmenschen – und deren Wähler – reicht das natürlich nicht, sie wollen die Macht in der eigenen Hand halten. Diese wenden sich nun verdrossen von der Linkspartei ab. Leuten wie Lafontaine aber ist das Ergebnis wichtiger. Wenn ihre radikalen Forderungen eine gemäßigtere, aber dennoch linke Umsetzung in den Regierungsparteien finden, ist doch das Ziel erreicht. TIM KARSTEN, Berlin

■ betr.: „Kann man die Linkspartei wählen?“, Contra von Jan Feddersen, taz vom 20./21. 6. 09

Böser Lafontaine, gute PDSler

Westlinke sind angeblich innerlich am Feiern, parlamentarisch nicht praktisch arbeitend und mit den Bösen Lafontaine und Dehm nicht genießbar. Die praktisch arbeitenden guten ehemaligen PDS-Genossen entwickeln dagegen teilhabende Nähe mit ihrer Politik. Es hätte Jan Feddersen sicher gut getan, vorher mit einem parlamentarisch arbeitenden „Westlinken“ zu sprechen, bevor er in die Rolle des Spaltpilzes der Linken schlüpft. Ich hätte ihn dann gefragt, wie man denn parlamentarisch arbeitet, wenn man doch gar nicht gewählt werden kann! Im Übrigen spricht das Wort dumpfbackig für die Qualifikation von Jan Feddersen Bände.Von der taz bin ich Besseres gewohnt! LUKAS OSSWALD, Gemeinderat in Lahr für „Die Linke“

■ betr.: „Kann man die Linkspartei wählen?“, Contra

Marktentgrenzer

Es gibt für Linke viele gute Gründe, die „Linke“ nicht zu wählen. taz-Redakteuer Feddersen nennt allerdings keinen einzigen davon. Das meiste, was er gegen sie aufstellt, ist entweder falsch oder Bestandteil der wenigen Gründe, aus denen man sie dann doch wählen könnte. Wenn er einfach nur den Kapitalismus effizienter machen, den Staat verschlanken und den Finanzierungsvorbehalt bejahen will, dann ist er ein „echter Liberaler“, eben ein Marktentgrenzer. Soll er Grüne/FDP wählen, sich womöglich dort engagieren, dann bleibt weniger Zeit für seine Artikel in der taz. Ach, nebenbei: Das „Pro“ Scharenbergs hat auch so seine Abgründe, liegt aber näher an der Realität. TORBEN LÜTH, Göttingen

■ betr.: „Israels Feinde machen keine Gefangenen“, Interview mit Claude Lanzmann, taz vom 20./21. 6. 09

Legende von der moralischen Armee

Vielen Dank für das Interview mit dem Filmregisseur von „Tsahal“. Ich kenne den Film nicht, werde ihn aber nach der Lektüre des Artikels auch sicher nicht ansehen wollen. Der Film scheint mir eine Verherrlichung von Waffen und Waffentechnik zu sein und will offenbar mitweben an der Legende, dass die israelische Armee eine ganz besonders tapfere und besonders moralische Truppe sei. Ich kann nicht beurteilen, ob es vielleicht vor 15 Jahren, als der Film gemacht wurde, möglich gewesen wäre, dem deutschen Zuschauer diese Legende als Realität zu verkaufen; heute jedenfalls wissen viele Menschen in Deutschland, dass es sich bei der israelischen Armee um eine ganz gewöhnliche handelt, die nur bei jüdischen Israelis einen guten Ruf genießt. Palästinenser haben israelische Soldaten erlebt, die sie an Checkpoints erniedrigten, drangsalierten, entwürdigten und in vielfältiger Weise schädigten. Sie haben israelische Soldaten erlebt, die gezielt Steine werfende Kinder erschossen, brutale Siedler nicht an ihrem Palästinenser verachtenden Treiben hinderten, die mit Panzern Häuser einrammten und über Menschen fuhren, die gezielt und beabsichtigt auf Zivilisten, Krankenhäuser und Moscheen feuerten.

Israelische Soldaten selbst haben durch ihre Aussagen dazu beigetragen, dass der glänzende Schleier, den eine Mischung aus bewusster Irreführung, bereitwilligen Fürwahrhaltens und Realitätsleugnung über die Armee gebreitet hatte, allmählich löchrig wird. GEORG FRITZEN, Düren

■ betr.: „Der Lärm der Kinder“, Leserbrief in der taz vom 15. 6. 09

Schrien DDR-Kinder nicht?

Die Ausführungen von Leserin Hartmann aus Reutlingen treffen absolut zu. Zwei Überlegungen drängen sich mir dazu auf:

Erstens: Die Kita-Mitarbeiterinnen in der DDR haben sich meines Wissens nach niemals über den Krach der Kinder beklagt. Waren sie allesamt taub?

Oder hatten die Kinder keinen Grund zum Schreien? Aha!

Zweitens: Gestreikt haben die Kita-Mitarbeiterinnen in der DDR auch nicht.

Also hatten sie keinen Grund.

Der Unterschied zur hiesigen Situation heute wird mithin überdeutlich.

BOTHO KÖNIGSBERG, Hannover