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Archiv-Artikel

Singet und seid froh

Thalia Theater nimmt mehr ein als je zuvor. Und nimmt auch in der zweiten Spielzeithälfte Verlierer in den Blick

Vielleicht wäre die Lösung für die vom Volk Enttäuschten ganz einfach: Nicht reden, sondern singen müsst ihr, Politiker! Müsst euch und anderen – den Erfindern und den Opfern von Hartz IV – Mut durch Melodiöses machen, bevor der letzte Funke verloschen ist: Mit gleich zwei Liederabenden steuert das Thalia Theater in die zweite Spielzeit-Hälfte, die weniger von Burnout als von konstantem Elan geprägt ist: „Wahlkampf (Lieder gegen die Verdrossenheit)“ nennt Gastregisseur Stephan Kimmig seinen „Ruck-Musikabend“, der eben jene Politikerspezies karikiert. Und einen „Arbeiterliederabend“ mit dem Titel „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ hat Franz Wittenbrink erfunden. Im Juli wird das Schauspiel Hannover das Stück am Thalia zeigen.

Auch Hausregisseur Andreas Kriegenburg will in „White Trash“ Verlierertypen in den Blick nehmen. Grundlage sollen die 1993 edierten, inzwischen auch auf Deutsch erschienenen Interviews Pierre Bourdieus mit Menschen sein, die ins soziale Abseits gerieten. Schauspielabsolventen der Hochschule für Musik und Theater werden hier eins jener Paralleluniversen ausleuchten, denen sich auch das erste Projekt des Herbstes widmet: „Auswärts – Fan-Projekt“ heißt das „dokumentarische Spektakel“, das Thalia und die HSV-Fangruppierung „Chosen Few“ vereinen soll. Denn Fußball und Theater „ haben im Grunde viel gemeinsam – vor allem die Resistenz gegenüber Enttäuschungen“, wie es Thalia-Intendant Ulrich Khuon formuliert.

Womit er nicht gesagt haben will, dass das Thalia im Abseits stehe, im Gegenteil: 777 Vorstellungen hat das Haus in der vorigen Spielzeit geboten und mit rund sechs Millionen Euro 966.000 Euro mehr eingenommen als in der vorausgegangenen Saison. Die Eigeneinnahmen lägen bei „phantastischen 27,3 Prozent“, berichtete Geschäftsführer Ludwig von Otting bei der gestrigen Präsentation. „25 Prozent gelten gemeinhin als unerreichbares Traumziel.“ Auch für dieses Jahr habe das Thalia bereits jetzt 15.000 Besucher mehr gezählt als im Vorjahr. Unumstrittene Spitzenreiter: Tom Sawyer, der Thalia Vista Social Club sowie Hedda Gabler und Lulu. Petra Schellen