piwik no script img

Archiv-Artikel

Flunkern erlaubt – manchmal

Mit ihren Fragebögen zur Wohnungsbewerbung wollen viele Vermieter gern wissen, wie solvent ihre potenziellen Mieter sind. Das steht ihnen zu. Fragwürdig sind Auskunftsbegehren, die auf ein künftiges Vertragsverhältnis keinen Einfluss haben

VON ANDREAS LOHSE

Wer sein Eigentum vorübergehend anderen überlässt, will wissen, welche Folgen das haben könnte: negative oder positive. Vermieter von Wohnraum erwarten naturgemäß positive: regelmäßige Mietzahlung, eine hohe Rendite, Nutzen für das Miethaus und Unversehrtheit der Wohnung. So darf es nicht wundern, dass gerade sie mitunter gern einiges über ihre Mieter wüssten, bevor sie mit den Interessenten einen Vertrag schließen. Beliebt sind Fragebögen, die einem künftigen Bewohner auszufüllen nahe gelegt wird, andernfalls er bei einer Vielzahl von Bewerbern kaum eine Chance auf das erwählte Domizil haben dürfte. Die Selbstauskunft zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einschließlich Angaben zum Nettoeinkommen nebst Verdienstbescheinigung ist inzwischen Standard.

Allerdings möchte mancher Hausbesitzer einen potenziellen Mieter geradezu durchleuchten. Er will nicht nur über dessen finanzielle Verhältnisse informiert sein, sondern auch noch umfassend über alle familiären, sozialen und persönlichen Umstände. Davon erhofft er sich ein umfassendes Bild und Persönlichkeitsprofil seines Gegenübers – was, am Rande bemerkt, stimmen kann oder auch nicht, denn wer kann schon sicher voraussagen, welche Lebensumstände auch in beispielsweise sechs Monaten noch aktuell sind.

Ein solcher Fragebogen kann aber durchaus zulässig sein. Doch manches Auskunftsbegehr geht schlechterdings zu weit, wie schon in den 90er-Jahren der Berliner Datenschutzbeauftragte in einem amtlichen Großversuch erkannte: „Bei der Überprüfung der verwendeten Fragebögen mussten wir feststellen, dass nur wenige den gesetzlichen Vorgaben entsprachen.“ So wurden auf fast allen Bewerbungsbögen Geburtsort, Geburtsname und Geburtsdatum erfragt. Doch sei die Frage nach Geburtsort und Geburtsname rechtswidrig. Ebenso übrigens in der Regel die Frage nach der Staatsangehörigkeit.

Auffällig waren auch Fragen nach Daten über die bisherige Wohnung, deren Kosten, die Anschrift des früheren Vermieters sowie die Dauer des alten Mietverhältnisses – keine dieser Angaben wird für den Abschluss eines Mietvertrages benötigt. Zwar ist die bisher gezahlte Miete möglicherweise ein Indiz dafür, wie viel Miete sich ein neuer Bewohner leisten kann. Doch steht der Wunsch des Mieters nach einer neuen Wohnung oft im direkten Zusammenhang mit einem gestiegenen oder gesunkenen Einkommen, so dass die Angabe der früher gezahlten Miete kaum weiterhilft. Erkundige sich der neue Vermieter gar beim bisherigen gleichsam hinter dem Rücken des Mieters nach dessen Verhalten, widerspreche dies sogar dem Bundesdatenschutzgesetz, wonach „personenbezogene Daten grundsätzlich beim Betroffenen erhoben werden“ sollen, so die Datenschützer.

Fragen über tatsächliche und geplante Einrichtungsgegenstände sind unzulässig. Damit will sich der Vermieter darüber informieren, an welchen Sachen er im Fall eines Mietrückstandes ein Vermieterpfandrecht erwerben würde. Ansicht des Datenschutzes: Das sei unverhältnismäßig, zumal ja eine Kaution hinterlegt werde.

Problematisch auch die Frage nach Haustieren: Zulässig sei sie, soweit deren Haltung – beispielsweise bei Hunden – verboten werden könnte, nicht aber bei zwitschernden, miauenden oder gar unhörbaren Kleintieren, deren Haltung per Formularmietvertrag gar nicht zu untersagen ist. Nicht zu beanstanden hatte der Berliner Datenschutzbeauftragte die Frage nach dem monatlichen Einkommen des Mieters. Auf eine detaillierte Aufgliederung, beispielsweise nach Renten oder Arbeitslohn, sollten Vermieter aber verzichten.

Welche personenbezogenen Daten dürfen nun erhoben werden? Das Amtsgericht Wiesbaden hatte schon 1992 entschieden, dass Mieter nur Auskunft geben müssten, sofern die Antwort „für das Mietvertragsverhältnis wesentlich“ und „deren Offenbarung dem Mieter zuzumuten“ sei (in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1992, Seite 597). Doch trotz Urteil und Datenschutz steht jeder Bewerber in der Praxis immer vor Gewissensfragen: Beantworten und Dinge preisgeben, die niemanden etwas angehen? Nicht beantworten und die Ablehnung riskieren? Oder flunkern?

Stehen die Fragen eindeutig im Zusammenhang mit dem künftigen Mietverhältnis, sollten Mieter die Wahrheit sagen. Dies betrifft mit Sicherheit Einkommen, Arbeitsplatz und Familienstand. Fragen indes, die mit dem Mietvertrag nichts zu tun haben, gehen den Vermieter nichts an. Der Deutsche Mieterbund: „Schummeln erlaubt.“ Dazu gehört die Wissbegierde nach sexuellen Neigungen, Mitgliedschaft in einer Partei oder einem Mieterverein, Religionszugehörigkeit, Vorstrafen, Staatsangehörigkeit des Ehepartners, Musikvorlieben oder gar zu Krankheit und Schwangerschaft – Fragen dieser Art können nach Belieben beantwortet werden oder eben so, wie es der Vermieter gern hätte; nur ein Nichtraucher wird beispielsweise fragen, ob sein künftiger Mieter wohl rauche. Antwort: nein. Da kann nichts passieren.

Zulässige Fragen sollten korrekt beantwortet werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch nämlich kennt die „Anfechtbarkeit wegen Täuschung“ (Paragraf 123). Dies kann dem belogenen Vermieter das Recht geben, den Vertrag anzufechten – womit er zumindest dann rückwirkend unwirksam wird, wenn der Mieter noch nicht eingezogen ist: Der Mieter darf die Wohnung nicht betreten. Ist er schon eingezogen, kann der Vermieter allenfalls wegen der unwahren Angabe des Mieters kündigen. Hat sich der Mieter allerdings zwischenzeitlich nichts zuschulden kommen lassen und sogar die Miete pünktlich bezahlt, ist eine Kündigung nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen zulässig, entschied in einem Fall das Landgericht Essen (in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1984, Seite 299). Also: Flunkerei an der falschen Stelle ist ein Vabanquespiel und kann bitter enden. Es spricht nichts dagegen, dem Vermieter mietvertraglich relevante Auskünfte wahrheitsgemäß zu geben.