JOHN NEGROPONTE STEHT FÜR DAS WIDERWÄRTIGE DER US-AUSSENPOLITIK: Ohne Lizenz zum Neuanfang
John Negroponte ist für George W. Bush – wie schon für Ronald Reagan und Bush senior – so etwas wie eine Geheimwaffe für Jobs, die keiner haben will, die aber gleichzeitig Geschick, Instinkt und Skrupellosigkeit erfordern. Stimmen die Berichte in US-amerikanischen Medien, dann war Negroponte für den Posten des neuen US-Geheimdienstoberchefs nur dritte Wahl. Welch eine Karriere: vom in die schmutzigsten Details des Contra-Kriegs verwickelten Botschafterposten in Honduras in den 80ern hin zum Kriegsantreiber des UN-Sicherheitsrates 2002/2003, über den Botschaftersitz im besetzten Bagdad hin zum Geheimdienstkoordinator. Diese neueste Aufgabe allerdings passt für Negroponte eigentlich am besten: Der Mann hat stets lieber im Verborgenen agiert, in geheimer Mission Druck ausgeübt und Weichen gestellt als gesprächig zu repräsentieren.
Formal ist seine Berufung insofern nur logisch. Als Zeichen eines „Neubeginns“ der US-amerikanischen Geheimdiensttätigkeit aber, als einschneidende Konsequenz aus den Verfehlungen des 11. September und der mangelnden Massenvernichtungswaffen im Irak, ist die Ernennung des 65-jährigen altgedienten Strippenziehers eine Lachnummer. Weltweit haben die Menschen noch das Bild vor Augen, wie Negroponte und der damalige CIA-Chef George Tenet im Februar 2003 hinter Colin Powell saßen, als der damalige Außenminister im Sicherheitsrat seine Multimediashow gefakter Daten über Iraks angebliche Bio-, Chemie- und Atomwaffen vortrug. Zumindest für die Außenwelt symbolisiert Negroponte mit seiner ganzen Geschichte die widerwärtigste Seite der US-Außenpolitik, und das nun schon seit vielen Jahren.
Doch darum geht es nicht. Der Neuanfang der Geheimdienste, den die Bush-Regierung plant, ist mit wirklich neuen Leuten nicht zu machen. Immerhin zielt ein Großteil der Reform nicht auf das, was die 9/11-Kommission empfohlen hat, sondern vor allem auf eine Entmachtung der immer widerspenstiger agierenden CIA zugunsten Bush-getreuer Kräfte in Weißem Haus und Pentagon. Um so etwas zu organisieren und die verschiedenen institutionellen Interessen in Schach zu halten, ist Negroponte allerdings der Richtige. BERND PICKERT
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