Deutscher Druck auf Kambodscha gefordert

Oppositionsführer Sam Rainsy kämpft gegen ein umstrittenes Strafverfahren, mit dem Kambodschas Regierung ihn ins Exil trieb. „Ohne wirkungsvolle Opposition droht ein Missbrauch von Entwicklungshilfegeldern“, sagt er

BERLIN taz ■ Drängen westliche Regierungen die von Entwicklungshilfe abhängige Führung Kambodschas nicht zu rechtsstaatlichem Verhalten, droht dem Land ein autoritäres Regime wie in Birma. Mit diesem Appell reist Kambodschas Oppositionsführer Sam Rainsy zur Zeit durch westliche Hauptstädte.

Der 54-Jährige floh ins Ausland, nachdem die Nationalversammlung in Phnom Penh am 4. Februar seine Immunität und die zweier Abgeordneten seiner Sam-Rainsy-Partei (SRP) aufgehoben hatte. „Das Manöver zielt auf mich, das Verfahren gegen die anderen ist ein Vorwand“, sagte Rainsy der taz in Berlin. Von den zwei anderen Abgeordneten konnte Chea Poch in die USA fliehen, Cheam Channy dagegen wurde verhaftet. „Ich fürchte, dass er gefoltert wird, um mich zu belasten“, glaubt Rainsy. „Unsere Gerichte sind ein Erbe der kommunistischen Zeit unseres Landes. Die Regierung nutzt die Justiz, um politische Gegner auszuschalten.“

Die Führer der Regierungskoalition, der dominierende Hun Sen von der Volkspartei und Prinz Norodom Ranariddh von Funcinpec, verklagten Rainsy wegen Verleumdung. Der hatte Ranariddh wegen Korruption und Hun Sen wegen eines tödlichen Granatanschlags auf eine Kundgebung von Rainsys Partei angezeigt. „Gegen Hun Sen klage ich zudem in Paris, weil ich auch die französische Staatsbürgerschaft habe. Doch während der Fall dort untersucht wird, wurde das Verfahren in Kambodscha eingestellt.“

Rainsy war in den 90er-Jahren Finanzminister und genießt als Mahner gegen Korruption und als Vertreter demokratischer Werte hohes Ansehen im Ausland und in der kambodschanischen Mittelschicht. Seine Partei ist mit 24 Sitzen die einzige Opposition im Parlament, dort aber gegen die Koalition mit 99 Sitzen machtlos. Diese wurde so mächtig, nachdem Hun Sen den vormals oppositionellen Ranariddh auf seine Seite gezogen hatte.

„Ranariddh war 1998 in der gleichen Situation wie ich heute. Seine Immunität wurde aufgehoben, er musste fliehen und wurde in Abwesenheit zu einer Haftstrafe verurteilt“, erinnert Rainsy. Erst durch Druck des Auslands auf Hun Sen habe Ranariddh zurückkehren können. Der Kompromiss war, dass der damalige König Norodom Sihanouk seinen Sohn Prinz Ranariddh begnadigte. „Dies Szenario ist auch jetzt möglich, wenn das Ausland Druck macht“, so Rainsy. Dann könne der König Sihamoni ihn bald begnadigen.

Mit der Aufhebung der Immunität teste Premierminister Hun Sen die Interventionsbereitschaft des Auslands. Hun Sen sei innenpolitisch unter Druck, weil sich die wirtschaftliche Lage verschlechtere und Korruption, Drogen- und Menschenhandel außer Kontrolle gerieten. Des halb fordere die Weltbank inzwischen entsprechende Reformen.

„Unternehmen westliche Regierungen jetzt nichts, werde ich vielleicht im Ausland bleiben müssen“, fürchtet Rainsy. „Ohne wirkungsvolle Opposition steigt das Risiko, dass die Entwicklungshilfe aus Deutschland in Kambodscha zweckentfremdet wird.“ SVEN HANSEN