Geiselhaft im Elfenbeinturm

Deutschlands wichtigste Wissenschaftsvertreter beklagen das Scheitern der Föderalismusreform und fordern Eliteunis

BERLIN taz ■ Die Wissenschaftler sehen sich als Opfer im föderalen Politpoker. Die Präsidenten der großen drei des Wissenschaftsbetriebs – Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Wissenschaftsrat (WR) – warfen den Ländern gestern in einem gemeinsamen Plädoyer vor, mit ihrer Blockade im Föderalismusstreit Bildung und Forschung zu lähmen. Sie forderten, dass die auf Eis liegenden Programme für Eliteunis und Spitzenforschung dringlichst auf den Weg gebracht werden müssten.

Aus wissenschaftsfremden Gründen werde die Entwicklung aufgehalten, klagte der Vorsitzende der DFG, Ernst-Ludwig Winnacker und erklärte sich und seine Kollegen zu Geiseln der Politik. Nach dem Kollaps der Föderalismusdebatte Ende vergangenen Jahres hatten Baden-Württemberg und Bayern im Namen aller Länder trotzig die Eliteprogramme des Bundes für nichtig erklärt.

Im Pakt für Innovation und Forschung war außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine jährliche Etatsteigerung um 3 Prozent zugesichert worden. Für zu generierende Spitzenunis, Doktorandenkollegs und Forschungszentren (Exzellenzcluster) hatte die Bundesregierung 1,9 Milliarden Euro versprochen und ihren Anteil von 75 Prozent bereits im Haushalt eingeplant.

Dagegen hatte Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) angeregt, dass der Bund seinen Anteil anspruchslos an die DFG überweise, die damit ihrerseits Forschungsprojekte subventioniere. Diesen Vorschlag ließen die Wissenschaftsvertreter als Ersatz nicht gelten. Es gehe nicht um vorübergehende Effekte, sondern echte Strukturänderungen, sagte der Chef des Wissenschaftsrats Max Einhäupl zur Begründung.

Peter Gaehtgens, Vorsitzender der Rektorenkonferenz, beschied den durch die Karlsruher Urteile gestärkten Landeschefs dagegen: „Wenn die Länder sagen, der Bund darf das nicht tun, dann müssen sie es selber machen.“ Er kritisierte die neuerliche Verfassungsklage des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gegen die staatlichen Hilfen für die Umstellung auf Bachelor und Master: „Koch torpediert ein sinnvolles Programm aus Gründen, die mit den Hochschulen nichts zu tun haben.“ Er warnte davor, dass man international den Anschluss verlieren könne. „Deutschlands Wissenschaftssystem steht an einem kritischen Punkt.“

Doch hat die Bereitschaft der Länder, in Wissenschaft und Forschung zu investieren, in den vergangenen Jahren nachgelassen. Der Wittenberger Hochschulforscher Peer Pasternack schätzt, dass die Finanzkraft der Unis seit Mitte der 90er-Jahre um durchschnittlich 15 Prozent gesunken sei. Ohne den Bund ginge es nicht, bekräftigten die Wissenschaftler. ANNA LEHMANN