: Mode statt Alltag
FASHION Mode ist so ästhetisch wie erhebend. Der Band „Fashion in Context“ erzählt davon
Einen theoretischen Diskurs über das Phänomen Mode gibt es im deutschsprachigen Raum noch nicht lange, schreibt Gerda Buxbaum im Vorwort zum Sammelband „Fashion in Context“. Mode, das ist bekannt, wird hier nicht so ernst genommen. Sie wird belächelt, ignoriert oder in vorgeblich moralischen Kategorien diskutiert. Allerdings führt diese Abwesenheit kurioserweise manchmal auch zu einer gewissen Eilfertigkeit: Niemand will sich deutsche Humorlosigkeit vorwerfen lassen, und so schreibt man über Mode lieber ausdrücklich affirmativ.
Gerda Buxbaum ist die Direktorin der Wiener Modeschule. Sie organisiert jährlich ein Symposium zu einem moderelevanten Thema. Die Hetzendorf Gespräche fanden in diesem Jahr zum zehnten Mal statt, und aus diesem Anlass hat Buxbaum eine Auswahl von Beiträgen aus den letzten Jahren als Sammelband herausgegeben. Er ist eben im Springer Verlag Wien erschienen und so gestaltet, dass man ihn, wenn man möchte, bei seinen übrigen Coffee Table Books aufbewahren kann. Die Betrachtung von Mode wird darin als Kulturwissenschaft betrieben, und man geht dabei sehr gründlich vor. Die Beiträge handeln von modegeschichtlicher Tradition, von Technologien, die zur Verfügung standen und stehen, von Marketingstrategien, von Sehgewohnheiten, die sich aus Architektur oder bildender Kunst ergeben, und von den Möglichkeiten der medialen Darstellung.
Einzelne Akteure wie die luxemburgische Modedesignerin Anne Marie Herckes werden porträtiert, die in Antwerpen studiert und für Viktor & Rolf und Kostas Murkudis gearbeitet hat. Sie bildet ikonische Modestücke wie die Hermès Kelly-Bag in Miniaturform nach und macht kleine Broschen daraus. Ein Porträt ist dem österreichischen Künstler Erwin Wurm gewidmet, in dessen „One Minute Sculptures“ Kleidungsstücke oft eine Rolle spielen: „Mode hebt den Alltag auf. Das interessiert mich, die absolute Aufhebung, das Emporschwingen des Alltags.“
Es gibt einen Text über die Geschichte der Sportmode, ein Beitrag analysiert die Dresscodes, die für Politiker gelten. Letzterer ist bebildert mit einem schönen Foto vom Pfannekuchen wendenden Konrad Adenauer, der sich, Cross-Dressing avant la lettre sozusagen, eine blendend weiße Schürze über den dunklen Herrenanzug gebunden hat. In einem anderen Beitrag geht es um Selbstdarstellungen und Selbstporträts auf Flickr und die Gender Gaps, die auch dort offensichtlich werden: „Es wird das einfache Prinzip wirksam, das John Berger 1972 formulierte: Männer handeln, und Frauen treten in Erscheinung.“
Am Ende zeigt sich, dass Mode vielleicht nicht so viel mit Kunst zu tun hat, wie sie manchmal etwas großspurig behauptet, dass aber derjenige, der sich mit Mode beschäftigt, unter Umständen viel über die soziale, ökonomische und ästhetische Verfasstheit der Gegenwart erfährt.
ELISABETH RAETHER
■ Gerda Buxbaum (Hg.): Fashion in Context. Springer Verlag, Wien 2009, 351 Seiten, 34,95 €