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Archiv-Artikel

Flexibel zum Profit

Familienfreundlichkeit besteht in mehr als Angeboten zur Kinderbetreuung. Nutzen ziehen daraus aber gerade auch die Unternehmen

„Alterung der Gesellschaft: Nicht jeder hat Kinder, aber alle haben Eltern“

Von Elke Spanner

Der Saal war voll, und es waren fast ausschließlich Frauen da. Das ist selten bei Terminen in der Handelskammer, dem Zentrum der Hamburger Wirtschaft, einer Männerdomäne. Doch bei diesem Firmentreffen ging es um das Thema „Familienfreundlichkeit von Unternehmen“, und für die Belange der Familien fühlen sich dann doch die Frauen zuständig. Dabei sind es nicht alleine sie, die davon profitieren, wenn etwa die Kinderbetreuung berufstätiger Mütter geregelt ist: „Werden soziale Leistungen etabliert“, appellierte Margit Werner von der Firma „Familienservice“ an die VertreterInnen der Wirtschaft, „wird Ihr Geld nicht weniger, sondern mehr“.

Und dennoch sehen die meisten Unternehmen die Organisation des Nebeneinanders von Beruf und Familie als Privatsache ihrer MitarbeiterInnen an. Es widerspricht dem Zeitgeist, sich in Zeiten, in denen die Lohnnebenkosten als zu hoch geschmäht und von den KollegInnen immer mehr Flexibilität und Belastbarkeit abverlangt wird, über bessere Rahmenbedingungen für die Belegschaft Gedanken zu machen. „Derzeit sehen wir uns mit immer dreisteren Forderungen der Wirtschaft zur Arbeitszeitverlängerung konfrontiert, und das passt nicht zusammen“, moniert Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg.

Dabei meint Familienfreundlichkeit nicht allein die Kinderbetreuung für Berufstätige: So bietet „Familienservice“ zurzeit in einem Betrieb einen Kurs für Lehrlinge zur Prävention von Handy-Schulden an, und laut Werner sollten sich alle Unternehmen Gedanken darüber machen, welche Probleme auf sie durch die Alterung der Gesellschaft und folglich auch ihrer Belegschaft zukommen: Die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger, sagte sie, wird überwiegend von den 50- bis 70-jährigen Verwandten übernommen. Wird die Lebensarbeitszeit aber verlängert, fällt diese Personengruppe bei der Kranken- und Alterspflege weg – ein Problem großen Ausmaßes: „Nicht jeder hat Kinder, aber alle haben Eltern.“

Die Techniker Krankenkasse (TK) beispielsweise bietet bereits Erleichterungen für MitarbeiterInnen an, die einen schwer erkrankten Angehörigen betreuen. Die TK wurde im vergangenen Jahr vom Bundesministerium mit dem Zertifikat „Audit Beruf und Familie“ ausgezeichnet, weil sie über besonders flexible Arbeitszeiten, Teilzeitangebote und andere Maßnahmen gezielte Familienförderung betreibt. Wie eine solche aussehen kann, können auch andere Unternehmen nun über eine Hotline erfahren, die Hamburgs Handelskammer und die Sozialbehörde zusammen eingerichtet haben.

Für die Kinderbetreuung hat die Firma „Company Kids“ mehrere Modelle entwickelt: Neben dem klassischen Betriebskindergarten gibt es Unternehmen, die in angemieteten Räumen eine „Mini-Kita“ mit Tagesmutter betreiben. Ebenso könnten Firmen bei der Behörde einen „Kita-Gutschein“ für Mitarbeiterinnen kaufen, die darauf keinen Anspruch haben, weil sie etwa nur einzelne Tage berufstätig sind.

Die Stadt unterstützt alle Modelle im Rahmen des Gutscheinsystems – aber auch nicht darüber hinaus. Manche Firmen, wie beispielsweise die TK, beschäftigen aber viele Mitarbeiterinnen aus Schleswig-Holstein. Und für diese, stellte Vera Birtsch von der Behörde für Soziales und Familie klar, gibt es keinen Zuschuss für die Kinderbetreuung. Da wird das Problem dann doch wieder zur Privatsache.

Hotline: ☎ 432 14 50