: Behördenlenker futsch
Angeblich ließ er Visionen vermissen: Schulamtsleiter Philipp Wrieden wirft nach nur 61 Tagen das Handtuch. Opposition sieht schwarzen Filz am Werk
Von Kaija Kutter
Die Bildungsbehörde kommt einfach nicht zur Ruhe. Gestern wurde bekannt, dass der erst vor drei Monaten eingestellte neue Schulamtsleiter Philipp Wrieden gekündigt hat. Nach einem Gespräch mit Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) am Freitag habe man sich „in beiderseitigem Einvernehmen getrennt“, so Behördensprecher Thomas John.
Die Besetzung dieses nach Senatorin und Staatsrat drittwichtigsten Postens weitet sich zur unendlichen Geschichte aus. So war er nach dem Rücktritt von Vorgängerin Ingeborg Knipper im Sommer 2003 anderthalb Jahre lang vakant gewesen. Doch die Auswahl des früheren CDU-Bürgermeisters von Bad Oldesloe soll sich schnell als Fehlgriff erwiesen haben. Obgleich ihn Dinges-Dierig bei Amtsantritt noch als „erfahrenen Pädagogen und versierten Behördenlenker“ gepriesen hatte, endete sein erster Auftritt vor der Bildungsdeputation am 3. November als „Katastrophe“, wie selbst CDU-Mitglieder verbreiten. Bei Wrieden, so heißt es, würden Gestaltungswille und Visionen vermisst. Gerüchten zufolge sei der Lehrer Dinges-Dierig gar gegen deren Willen von der CDU-Parteispitze aufs Auge gedrückt worden.
„Die Schulsenatorin lässt es offensichtlich zu, dass wichtige Positionen ihrer Behörde an Versorgungsfälle verschachert werden“, kommentierte SPD-Frau Britta Ernst den Wrieden-Rücktritt und sprach von einem „weiteren Beweis“ für Dinges-Dierigs Führungsschwäche. Für GALierin Christa Goetsch ist der Fall Wrieden gar „ein Paradebeispiel“ für „schwarzen Filz in der Stadt“.
„Die CDU hat keinen Einfluss auf die Einstellung von Herrn Wrieden genommen“, dementiert der CDU-Politiker Robert Heinemann. „So wie ich die Senatorin kenne, hat sie sich bestimmt nichts diktieren lassen.“ Es soll der Hamburger CDU nach 40 Jahren Sozialdemokratie jedoch an geeignetem Führungspersonal im Bildungsbereich mangeln. Und es soll kaum CDU-konforme Bewerber gegeben haben, die bereit waren, den Job für ein B6-Gehalt zu übernehmen.
Andererseits ist von Wrieden zu lesen, er sei unzufrieden mit der Politik der Senatorin, weil sie zu viele Reformen auf einmal anpacke und damit Schulen und Behörde überfordere. „Die Debatte um Wriedens Qualifikation ist nur eine Ablenkung“, findet GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm und verweist auf eine „schwindende Unterstützung“, die Dinges-Dierig in der Behörde erfahre. Wilhelm: „Die Mitarbeiter kommen gar nicht so schnell nach, wie ihr Rotstift arbeitet.“ Derweil betreibe Dinges-Dierig einen Kahlschlag auf Fachleiterebene. So werde die Stelle des Abteilungsleiters Gesamtschulen, Gerd Rauschning, nicht wieder besetzt, weil sie Senatorin die Ausschreibung gestoppt habe.
Ob Wriedens Stelle wieder ausgeschrieben wird, konnte die Behörde gestern nicht sagen. Denkbar wäre, dass Norbert Rosenboom den Posten bekommt, der das Amt bereits früher kommissarisch geleitet hatte. Dieser gilt allerdings auch in der CDU nicht als Wunschkandidat, weil ihm die Schuld für Fehler bei der Schulentwicklungsplanung angelastet werde.