: Die Eltern streiken zurück
KITA-STREIKS Genervte Eltern organisieren in vielen Städten Proteste, weil sie sich über geschlossene Kitas ärgern. Motto: „Kinder weinen still, wenn Ver.dis starker Arm es will“
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Wie es ihr geht? „Gut, im Moment“, sagt Anke Bohlander. Die vergangenen Wochen seien sehr stressig gewesen. „Aber ab morgen ist zum Glück erst einmal Schluss mit dem Streik.“ Zumindest vorerst. Denn nach den Sommerferien könnte es wieder losgehen mit dem Arbeitskampf der Erzieherinnen. Die Sprecherin des Stadtelternrats der städtischen Kindertageseinrichtungen in Dortmund atmet tief durch. Wie viele Eltern hat sie die Schnauze voll.
Insgesamt achtzehn Tage blieb die Kita ihrer beiden Kinder jetzt bereits geschlossen. So wie alle anderen in Dortmund auch. Eine lange Zeit für die berufstätige Mutter. Sie ist deshalb stinksauer. „Unsere Kinder können nicht mehr, und wir Eltern wollen nicht mehr“, sagt Bohlander. Nachdem die Tarifverhandlungen tags zuvor mal wieder ergebnislos abgebrochen worden waren, demonstrierte Bohlander am vergangenen Samstag zusammen mit 300 LeidensgenossInnen in Dortmund für eine sofortige Beendigung des Streiks. Erfolglos.
Seit Mai streiken die ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Allein in Nordrhein-Westfalen legten am Dienstag in mehr als 60 Städten rund 8.800 Beschäftigte ihre Arbeit nieder. Auch in sechs weiteren Bundesländern wurden Einrichtungen bestreikt. Eine Einigung mit den kommunalen Arbeitgebern scheint nach wie vor nicht in Sicht. Die Gewerkschaft Ver.di will die Streiks über die Sommerferien herunterfahren. Sollten die Verhandlungen bis dahin weiter erfolglos bleiben, würden die Streiks Ende August wieder aufgenommen, kündigte Ver.di-Chef Frank Bsirske an.
Doch nicht nur die Geduld Dortmunder Eltern neigt sich dem Ende zu. In mehreren Städten formiert sich inzwischen der Widerstand. Auch in Mannheim gingen verärgerte Eltern schon auf die Straße. In Hanau demonstrierte am Dienstag der örtliche Stadtelternbeirat vor dem Rathaus.
In Köln veranstalteten Eltern eine Mahnwache unter dem bissigen Motto „Kleine Kinder weinen still, wenn Ver.dis starker Arm es will“ vor dem DGB-Haus am Hans-Böckler-Platz. „Bundespolitiker führen Wahlkampfreden, die Gewerkschaften verzeichnen einen immensen Mitgliederzuwachs, und zu guter Letzt hat die Stadt Köln bereits mehr als 3,3 Millionen Euro Gehälter eingespart“, heißt es in einem Protestschreiben an den Kölner Stadtrat und die Oberbürgermeisterkandidaten von SPD, CDU und FDP. „Die Verlierer sind unsere Kinder!“
Der Elternprotest artikuliert sich mittlerweile auch im Internet. Auf der Homepage www.elternstreik.de fordern erboste Eltern die „sofortige Beendigung der Aussperrung unserer Kinder“. Außerdem müsse in jeder städtischen Kindertagesstätte umgehend eine Notbetreuungsgruppeeingerichtet werden, damit die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Auch sollten die dreiwöchigen Kita-Sommerferien gestrichen werden, da viele Eltern ihren Urlaub an Streiktagen aufgebraucht hätten und nun arbeiten müssten, anstatt in Urlaub fahren zu können. Außerdem müssten die Elternbeiträge und das Essensgeld um die Zeit der Streikdauer gekürzt werden, fordern die Eltern.
Auch Anke Bohlanders Dortmunder Stadtelternrat gehört zu den Unterstützern von www.elternstreik.de. Anders als beispielsweise die eine oder andere Kölner Elterninitiative richtet sich der Unmut der 40-jährigen Mutter allerdings in erster Linie gegen die kommunalen Arbeitgeber und deren Unnachgiebigkeit.
„Kinder haben in diesem Land keine Lobby, das nutzen die Kommunen aus“, schimpft sie. Die Forderungen der ErzieherInnen unterstütze sie hingegen vollständig, betont sie. Deren Anliegen seien absolut berechtigt. „Wir sind auf ihrer Seite.“ Gleichwohl fordert auch Bohlander Ver.di auf, „auch für unsere Kinder, die überhaupt gar nichts mit diesen Streitigkeiten zu tun haben, soziale Verantwortung zu übernehmen“.
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