OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Ein Frühwerk von Stanley Kubrick, das sich weitgehend als Einmann-Unternehmen darstellt: In „Killer’s Kiss“ (Der Tiger von New York, 1955) übte Kubrick neben seiner Rolle als Regisseur auch die Funktionen des Co-Produzenten, Drehbuchautors, Kameramannes und Cutters aus. Denn für die Umsetzung der Geschichte des abgehalfterten Boxers Davey, der gemeinsam mit dem Taxigirl Gloria ein neues Leben beginnen will und deshalb Ärger mit einem eifersüchtigen Gangster bekommt, war nur sehr wenig Geld vorhanden: Kubrick drehte seinen Film noir mit kleinen Sets ohne aufwendige Dekorationen, mit vielen Außenaufnahmen, wenigen Darstellern und nachsynchronisiertem Ton. Sehr offensichtlich sind in „Killer’s Kiss“ die Bezüge zu Kubricks vorheriger Tätigkeit als Fotoreporter in der Zeit von 1946–1950 zu erkennen: Mit prägnanten Schnappschüssen von Leuchtreklamen, mechanischen Puppen, Grillwürstchen und Eiscremebechern charakterisiert er beispielsweise die Touristen-Nepp-Atmosphäre am Times Square in New York. Vor allem aber funktioniert „Killer’s Kiss“ als Gangstermelodram im Stile des Film noir: In klassischer Low-Key-Fotografie erzählt der Film von Verlierertypen im einsamen Dschungel der Großstadt. Im Trubel des Times Square verlieren sich die Protagonisten, deren Leben der Regisseur vor allem durch geschickte Parallelmontagen miteinander verbindet, dabei ebenso wie in den leeren Straßen und Lagerhäusern der Hafengegend. Ein hübscher Film um das Kochen und die Liebe: In seiner Dokumentation „Aji – Dream Cuisine“ erzählt Regisseur Li Ying die Geschichte des älteren japanischen Ehepaares Hatsue und Koruko Sato, das in Tokio ein kleines Restaurant mit traditioneller chinesischer Küche der Provinz Shangdong betreibt. In China ist diese aufwändige Kochkunst während der Kulturrevolution weitgehend in Vergessenheit geraten – die in Shangdong geborene Hatsue gehört zu den letzten Köchinnen, die diese traditionelle Art der Essenszubereitung noch pflegt. Sie würde ihr Wissen gern an interessierte Schüler in China weitergeben, ihr Mann hingegen möchte lieber in Japan bleiben. Wer wird sich am Ende durchsetzen? Während die alte Dame den Erinnerungen an ihre Kindheit nachhängt, macht der Film zugleich deutlich, dass Hatsue einer Illusion erlegen ist: Denn in China produziert man längst eine ganz und gar nicht klassische „Nouveau Shangdong“-Cuisine, die man – überaus geschäftstüchtig – mit Hatsues Namen als Gütesiegel nach Japan exportieren möchte … Die bislang jüngste Arbeit des Trickfilmers Henry Selick konnte man auf der Berlinale bewundern: die frei erfundenen, überaus bunten Fische in Wes Andersons trauriger Unterwasserkomödie „The Life Aquatic with Steve Zissou“. In „James und der Riesenpfirsich“ geht es vor allem um animierte Insekten und Spinnen, die den kleinen James in der titelgebenden Frucht auf einer gefahrvollen Reise nach New York begleiten. Dabei zeigt sich der Regisseur einmal mehr als Meister der Stop-Motion-Animation. Lars Penning