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Archiv-Artikel

STEFAN REINECKE ÜBER WAHLVERSPRECHEN UND STAATSSCHULDEN Was Vertrauen zerstört

Die Staatsschulden explodieren. Nächstes Jahr werden sie auf ungefähr 100 Milliarden Euro steigen. Das bedeutet, dass wir ein ungewöhnlich absurdes Wahlkampfschauspiel erleben werden. Weder die SPD noch die Union trauen sich zu sagen, was sie angesichts dessen tun werden, welche Steuern sie erhöhen oder welche Sozialleistung sie kürzen werden. Dies muss, in der Logik der Parteien, so sein. Denn wer jetzt zum Beispiel Steuererhöhungen oder Sozialkürzungen ankündigt, wird nicht gewählt.

Andererseits begreifen die Wähler durchaus, dass ihnen die Wahrheit aufs Plumpeste vorenthalten wird. So verwandelt sich die Wahl, Herzstück der Demokratie, in eine Farce, in ein leeres Ritual. Die Parteien machen Versprechungen, an die sie nicht mal selbst glauben, die Wähler tun dies ohnehin nicht. So erodiert die Demokratie, die auf das Vertrauen der Bürger angewiesen ist.

Besonders heftig betreiben Union und FDP dieses Täuschungsspiel. Auch die Union kündigt in ihrem Wahlprogramm großzügig 20 Milliarden Euro teure Steuersenkungen an, ohne zu verraten, woher dieses Geld kommen sollen. Will sie dafür die Rente kürzen oder den Bundeswehretat? Oder ist diese Steuersenkung sowieso nur eine Luftbuchung? Wir werden es vor dem 27. September nicht erfahren.

Der katastrophale Haushalt 2010 ist das Ergebnis der globalen Krise. Doch er zeigt noch etwas anderes. Die Steuern für Reiche sind, vor allem unter Rot-Grün, rapide gesenkt worden. Die Steuern auf Kapitalerträge bewegen sich hierzulande auf dem Niveau von Tschechien und Slowenien. Das rächt sich. Klug wäre es, diese Politik zu revidieren, den Spitzensteuersatz ordentlich zu erhöhen und die Vermögensteuer wieder zu beleben. Doch das trauen sich Union und SPD nicht. Nicht vor und nicht nach der Wahl.