Businessplan und Totenreich

In „White Noise – Schreie aus dem Jenseits“ werkelt Regisseur Geoffrey Sax mit Hightech-Horror-Bausteinen

Seit es Kabelfernsehen gibt, ist das Rauschen nach Sendeschluss schwer aus der Mode gekommen. Deswegen hören auch nur noch ganz wenige Menschen zu, wenn sich aus dem Hyperraum die Toten melden. Von EVP (Electronic Voice Phenomenon) sprechen die Eingeweihten – für einen Routinethriller wie „White Noise – Schreie aus dem Jenseits“ von Geoffrey Sax reicht das schon: ein zweifelhafter Sachverhalt, der leicht technisch und schwer okkult klingt. Der Architekt Jonathan Rivers verabschiedet sich morgens von seiner Frau Anna, einer Bestsellerautorin. Am Abend kehrt sie nicht zurück, später wird das Auto gefunden, noch später die Leiche.

Im populären Kino der Gegenwart wird viel getrauert, vor allem aber wird die Trauerarbeit gern in gefährliche Bereiche fehlgeleitet. Jonathan Rivers (Michael Keaton) trifft seinen Verführer in Gestalt eines leicht schäbigen älteren Mannes, der ihn auf der Straße anspricht und vorgibt, er habe eine Nachricht von Anna. Von drüben. Raymond Price (Ian McNeice) sieht aus wie ein Spinner, seine Wohnung bestätigt diesen Eindruck nachdrücklich, aber Jonathan Rivers gerät unter den Einfluss. Seinen kleinen Sohn ignoriert er fortan, weil er sich vollständig auf Anna konzentriert. Die tote Ehefrau spricht nicht laut und deutlich, sondern verzerrt und unklar. Manchmal meldet sie sich telefonisch, manchmal findet Jonathan sie im weißen Rauschen eines Fernsehschirms.

Der Kontakt zu Anna eröffnet ihm ein Raum- und Zeitfenster auf Mitmenschen, von deren höchster Not er allein etwas erfährt. Nun kann er Schicksal spielen. Selbst Sarah Tate (Deborah Unger), eine andere Kundin von Raymond Price, findet, dass Jonathan es übertreibt. Sein modernistisches Londoner Apartment baut er zu einer Medienfestung aus, als ginge es um die Erforschung außerirdischer Intelligenz.

Die Spannung von „White Noise – Schreie aus dem Jenseits“ hält sich in den Grenzen einer Vernunft, die sich nicht auf die Naturgesetze beruft, sondern auf die Regeln des Genrekinos. Denn Geoffrey Sax und Drehbuchautor Niall Johnson versuchen ein Crossover, das schlicht zu weit geht: Vom Techno-Horror zum Snuff-Movie braucht es eine solide Brücke. „White Noise – Schreie aus dem Jenseits“ aber setzt die Genre-Elemente einfach zusammen wie die Teile eines Baukastens, zu dem sich das neuere Horrorkino entwickelt hat. In diesem Genre kann man dem Kino seit einiger Zeit dabei zusehen, wie es sich zu einem abstrakten Investorenprodukt entwickelt. Eine plane Kombinatorik bestimmt auch „White Noise“. Michael Keaton, früher einmal hoch bezahlter „Batman“, muss seine Karriere noch einmal von vorn starten. Dem kostengünstigen Star mit einigen halbberühmten Charakterkollegen wird ein Drehbuch vorgelegt, für das sie nur ihr Gesicht hinhalten müssen. Den Rest besorgt eine Crew anonymer Techniker: Geoffrey Sax als Regisseur ist die künstlerische Entsprechung zu lean management. Das weiße Rauschen lässt alle Interpretationen zu. Die meisten hören nur sinnloses Zeug. Die Traurigen hören die verlorene Person. Die Skeptiker hören einen Businessplan. BERT REBHANDL