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Archiv-Artikel

Regieren ist doch kein Wunschkonzert

Erst die Härten, dann die Segnungen: Bürgermeister Ole von Beust zieht im Gästehaus des Senats am Feenteich die Bilanz seines ersten Jahres als absoluter Regierungschef und blickt voraus auf das zweite. Und das soll noch besser werden

Von Sven-Michael Veit

Da sitzt er nun, der Bürgermeister. Viel lächeln wird er in den folgenden eineinhalb Stunden, witzig, charmant und schlagfertig wird er sein, so wie sie ihn kennen aus trauten Gesprächen, die knapp 20 Rathausreporter Hamburger Medien, die ins Gästehaus des Senats am noblen Feenteich auf der Uhlenhorst geladen wurden. Locker und souverän wird Ole von Beust, der tags zuvor in der Bürgerschaft noch so angepiekst auf die Vorwürfe der rot-grünen Opposition reagiert hatte, seine Bilanz seines ersten Jahres als Senatschef mit absoluter CDU-Mehrheit präsentieren. Und er wird Sätze sagen wie: „Regieren ist ja kein Wunschkonzert.“

Für ihn nicht, aber „das gehört zum Job“, da wolle er sich nicht beschweren, für die Regierten aber auch nicht, das sei ihm schon bewusst. Ein Jahr der Einschnitte sei es gewesen, viele Menschen hätten „auch schmerzhafte Opfer bringen“ müssen, sagt der Bürgermeister und bittet um Verständnis: „Das ist mir nicht leicht gefallen, das können Sie mir glauben, aber es musste sein.“ Bäder und Schulen schließen, Lernmittelfreiheit beschneiden oder Eintritt für die Vorschule erheben, zweimal die Grundsteuern erhöhen, Sportvereine für Hallennutzung zur Kasse bitten, „das“, sagt von Beust, „das läppert sich schon für den Einzelnen“.

Aber damit sei bald Schluss, verkündet er, denn „die Belastungsgrenze ist erreicht“. Ab dem kommenden Jahr „strebe ich keine Gebührenerhöhungen mehr an“, stellt von Beust in Aussicht, „sofern nicht massive Steuereinbrüche dazwischenkommen“. Denn noch mehr Schulden machen, um laufende Ausgaben bezahlen zu können, das komme nicht in Frage: „Neuverschuldung“, weiß der Regierungschef, „ist die Garrotte am Hals künftiger Generationen.“

Und um deren Wohl gehe es ihm ganz besonders. „Absurd“ seien die Vorhaltungen der Opposition, „dass Senat und CDU familienfeindlich wären“. Noch unter keinem Senat habe Hamburg so viel Geld ausgegeben für Kinder und Jugendliche und Familien wie unter seinem, das zu bestreiten, sei „ein wenig frivol“.

Dennoch, ja, es sei „ein hartes Jahr“ gewesen, ein Jahr im Spannungsfeld zwischen „momentanem Ärger und langfristiger Verlässlichkeit“. Vordringlich sei die Aufgabe, „in die Wirtschaft zu investieren, damit wir später nicht das Nachsehen haben“. Den Containerboom im Hafen spricht der Bürgermeister an, die wachsenden Touristenströme, den Airbus-Ausbau, mehr Existenzgründungen, weniger Insolvenzen und weniger mehr Arbeitslose als andere Bundesländer – Indizien seien das, sagt von Beust, für steigende Wirtschaftskraft. Und das werde sich auszahlen, in Arbeitsplätzen, in Steueraufkommen, in wachsender Zufriedenheit der Menschen in der wachsenden Stadt.

Und die werde, dessen ist sich der Bürgermeister gewiss, rasch einstellen, denn 2005, das sei „das Jahr der Verwirklichung“. Wichtige Entscheidungen stünden an, bei Investitionen in der Hafencity oder auf dem Domplatz, bei der Neugestaltung von Jungfernstieg und Spielbudenplatz, und auch bei der Elbphilharmonie, eines der leuchtendsten Prachtprojekte des Senats. Die Entscheidung über das potenzielle Wahrzeichen Hamburgs auf dem Kaispeicher A steht noch aus, „intensiv“ werde mit Sponsoren verhandelt, die den größten Teil der Investitionsumme aufbringen müssten. „Ich will die Elbphilharmonie“, stellt von Beust klar, „wenn sie zu finanzieren ist.“

Aber Regieren, das hat er ja bereits erkannt, ist eben kein Wunschkonzert.

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