Eltern klagen, Schulen hoffen

Am großkoalitionären Zeugnis-Kompromiss „Lernerfahrungsbericht plus Noten“ für Grundschüler wird nicht gerüttelt. Einzig welche Schulen künftig Ausnahmegenehmigungen erhalten, ist noch offen – zumindest in der Theorie

Bremen taz ■ Die große Koalition wird den mühsam gefundenen Kompromiss bei den Grundschul-Zeugnissen nicht wieder in Frage stellen. Das machten Vertreter von CDU und SPD gestern in der Bürgerschaft deutlich. Sie lehnten einen Dringlichkeitsantrag der Grünen ab. Diese hatten gefordert, die seit diesem Schuljahr geltende Notenpflicht für die Dritt- und Viertklässler wieder zu streichen. Die von der SPD/CDU-Koalition verabschiedete Zeugnisordnung sei „unausgegoren“ und „gefährde den Schulfrieden“, begründete die Grünen-Bildungspolitikerin Anja Stahmann. 49 von 70 Bremer Grundschulen hatten unlängst öffentlich verkündet, sie würden die Zensuren „gegen unsere ausdrückliche pädagogische Überzeugung und damit nur unter Protest“ geben.

Die verbindlichen Lernentwicklungsberichte nach einheitlichen Muster, die mit der neuen Zeugnisordnung ebenfalls für alle Grundschulen im Land Bremen eingeführt worden sind, nahm Stahmann von ihrer Kritik ausdrücklich aus. Im Gegensatz zu den darunterstehenden Noten seien diese von den Eltern gut aufgenommen worden. Die auf Druck der CDU eingeführten Noten hingegen, so Stahmann, „werden Kindern nicht gerecht“, weil sie nur einen Leistungsstand relativ zum Klassendurchschnitt angäben – nicht aber den tatsächlich entscheidenden Lernfortschritt der Kinder. Schwächere SchülerInnen würde das demotivieren, stärkere von weiteren Leistungen abhalten: „Die Therorie von der Leistungsförderung der Noten ist ein Mythos.“

CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer wollte das so nicht stehen lassen. „Noten sind nicht schädlich“, hielt er Stahmann entgegen, „sie werten niemanden ab“. Weswegen die Bremer Regelung eine „gelungene Kombination“ darstelle.

„Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass sich das Leistungsverhalten von Schülern durch Noten verbessert“, betonte dagegen SPD-Bildungspolitikerin Ulrike Hövelmann. Wegen der „sehr unterschiedlichen Auffassungen“ zwischen SPD und CDU in der Notenfrage solle es jedoch beim Koalitions-Kompromiss („das eine tun, das andere nicht lassen“) bleiben, sagte sie. Weswegen auch die SPD gegen den Grünen-Antrag stimmte.

Streitpotenzial birgt indes weiterhin die Frage der Ausnahmegenehmigungen. Ganze sechs Schulen sind von der Notenpflicht entbunden worden, 25 hatten sie beantragt. Hövelmanns Erklärung: „Die CDU konnte sich nicht zu mehr durchringen.“

Ein „Bauernhandel“ sei das gewesen, empört sich Jörn Schmidt, dessen Kinder die Grundschule an der Admiralstraße besuchen. Mehr als zehn Jahre lang hätten LehrerInnen dort erfolgreich das Konzept „Schule ohne Noten“ praktiziert, berichtet Schulleiterin Antje Mehlhop. Mehr als zwei Drittel der Eltern hätten das unterstützt. LehrerInnen ihrer Schule hätten das Konzept gar an die Grundschule am Weidedamm „mitgenommen“, als diese, früher eine Dependance, eigenständig geworden war. Letztere hat eine Ausnahmegenehmigung erhalten, die Schule an der Admiralstraße dagegen nicht. Statt das pädagogische Konzept einer Schule zu berücksichtigen, schimpft Schmidt, habe die SPD-CDU-Mehrheit in der Bildungsdeputation eine „rein politische Entscheidung“ gefällt. Gegen die „Ungleichbehandlung“ der Schulen hat er vor Wochen bereits Widerspruch eingelegt. Die Behörde hat noch nicht reagiert.

Seit unter den Klassenarbeiten auch Noten stünden, berichtet Schulleiterin Mehlhop, sei der Blick der Kinder „nur noch darauf gerichtet“. Sie hofft, wenigstens im nächsten Jahr von der Notenpflicht wieder entbunden zu werden. Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung, so teilt das Bildungsressort mit, würden weiterhin entgegengenommen. Nur „wann darüber entschieden wird, ist offen.“ Armin Simon