: Innenbehörde startet Abschiebetheater
Delegation aus Guinea verhört 400 Afrikaner, um Identitäten zu ermitteln und Weg für Abschiebung zu ebnen. Flüchtlingsrat: Behörde agiert rechtswidrig, weil sie Botschaft übergeht. GAL stellt Senatsanfrage. Jugendtheater Hajusom bangt um Akteure
Von Anja Humburgund Eva Weikert
„Für die Theatergruppe Hajusom sind Ismael Nabe und Ibrahima Bah zu zwei zentralen Performern geworden,“ wirbt Dorothea Reinicke. Sie leitet das Hamburger Ensemble jugendlicher Flüchtlinge, dem sich die Guineer anschlossen, nachdem sie vor fünf Jahren aus Afrika in die Hansestadt geflohen waren. Zusammen mit 20 anderen Künstlern arbeiten Ismael und Ibrahima gerade an dem Stück „Holiday Inn“, für das sie die Lebensumstände von Hamburger Einwanderern in den vergangenen Jahrhunderten recherchierten. Die Premiere ist für den 18. Mai geplant. Jetzt droht sie zu platzen. Eine Vorladung der Ausländerbehörde riss die Jugendlichen aus den Proben. Sie sollen abgeschoben werden.
Ismael (19) und Ibrahima (20) sind nur zwei von etwa 400 abgelehnten Asylbewerbern, die ab Montag zur Vorsprache in die Behörde bestellt sind. Eine von der Stadt eingeladene Delegation aus Guinea soll die Identität der Afrikaner feststellen, die ohne Papiere eingereist sind. Denn ohne Dokumente kann die Behörde sie nicht abschieben.
Eigentlich dürfen nur die diplomatischen Vertretungen Reisepapieren ausstellen. Am Mittwoch waren rund 50 Flüchlinge nach Berlin gefahren, um sich bei der guineischen Botschaft über die Anhörungen zu erkundigen. Wie der Flüchlingsrat warnt, ist die Botschaft nach eigenen Angaben an der Hamburger Aktion nicht beteiligt. Weil sie die Zusammensetzung der Delegation nicht kennen würden, „haben sich die Botschaftsvertreter von den Verhören distanziert“, berichtet Flüchlingsratsprecherin Conni Gunßer. Die Berechtigung der Delegation, Papiere auszustellen, sei darum „fraglich“. Der Flüchtlingsrat fordere „den sofortigen Stopp der rechtswidrigen Verhöre“.
Auch die GAL ist misstrauisch und will nun mit einer kleinen Anfrage nachbohren, „ob es sich um eine willkürlich zusammengesetzte Abordnung handelt, die nicht durch die Botschaft legitimiert ist“. Zugleich bekräftigt GALierin Antje Möller ihre „grundsätzliche Kritik“ an der Amtspraxis der Anhörungen. Solche Befragungen liefen ohne Begleitpersonen und Behördenvertreter ab. Zugleich hätten die Flüchtlinge in den oft nur minutenlangen Gesprächen „wenig Chance, ihre individuelle Lage darzustellen“, warnt Möller: „Das ist kein geregeltes und transparentes Verfahren.“
Die Ausländerbehörde weist die Vorwürfe weit von sich. Zwar räumt Amtsleiter Ralph Bornhöft ein, „im Prinzip haben die Botschaften die Hoheit über die Ausstellung von Papieren“. Bei der auf Stadtkosten eingeladenen Delegation handele es sich aber um vier „guineische Landesvertreter, die auch die Befugnisse zur Identitätsfeststellung besitzen“. Wer sie wie ausgesucht hat, konnte Bornhöft nicht sagen. Und dass sich die guineischen Behörden gegenseitig nicht über den Besuch informierten, „dafür kann Hamburgs Innenbehörde nichts“.
Über den Umgang der Behörde mit den Flüchtlingen zeigt sich Hajusom-Initiatorin Reinicke „entsetzt“. Sie zitiert aus der Vorladung des Amtes, das erklärt, die Abschiebungen seien „im besonderen öffentlichen Interesse“. Ismael und Ibrahima verlören indes ihre Zukunftschancen. Beide sind mitten in der Ausbildung. „Ich will Erzieher werden,“ sagt Ibrahima, „ein Praktikum in einem Kinderhort mache ich schon.“ Ob er daneben die Hauptschule abschließen und Ismael seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker antreten kann, entscheidet sich nächste Woche in der Ausländerbehörde.