: Vereinte Nationen, bitte übernehmen Sie!
UN-KRISENKONFERENZ Bei globalen Entscheidungen wollen künftig alle 192 UN-Mitglieder dabei sein
NEW YORK taz | Die roten Teppiche waren ausgelegt, doch auch am zweiten Tag blieb die New Yorker UN-Konferenz zur Finanzkrise merkwürdig schlecht besucht. Zahlreiche Industrienationen, u. a. die USA, Großbritannien und Frankreich, hatten ganz abgesagt oder schickten lediglich Staatssekretäre. So blieb Ecuadors Präsident Rafael Correa Delgado einer der wenigen unter den insgesamt 192 geladenen Staatschefs, die die Reise nach New York auf sich nahmen. Kurzfristig hatten auch seine Amtskollegen Evo Morales aus Bolivien und Venezuelas heiß erwarteter Hugo Chavez abgesagt.
Dabei war der Gipfel längst auf ein Treffen linker südlicher Länder zusammengeschrumpft. Wie schon der kubanische Außenminister Rodrigo Malmierca Díaz vor ihm, kritisierte am Donnerstag auch Correa das kapitalistische Bretton-Woods-System. Er plädierte vor der UN-Vollversammlung dafür, sowohl den Währungsfonds als auch die Weltbank aufzulösen. „Das Bretton-Woods-System zu stützten, in dem wir Entwicklungsländer keinen Einfluss haben, hat keinen Sinn für uns“, sagte Correa und erhielt lauten Beifall. Er plädierte dafür, die Entscheidung über die Weltwirtschaft weg von diesen Nachkriegsinstitutionen auf die UN zu übertragen.
Widerspruch bekamen die armen Nationen nicht zu hören, die sich allesamt als Opfer einer Krise beschrieben, die sie nicht verursacht hatten. Konstruktives aus dem Norden jedoch auch nicht viel.
Gefordert werden sollte zum Konferenzabschluss am Freitagabend nach Redaktionsschluss, dass eine Arbeitsgruppe der Vollversammlung und ein Expertengremium dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen zugeordnet wird.
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hatte einen eigenen Weltwirtschaftsrat analog zum UN-Klimarat empfohlen. Stiglitz kritisierte, dass die Globalisierung immer weiter voranschreite, ohne dass entsprechende globale Finanzinstitutionen geschaffen würden. Als Leiter der Expertenkommission der Krisenkonferenz sagte Stiglitz: „Was wir brauchen, ist ein inklusiver Entscheidungsprozess, an dem nicht die G 8, nicht die G 20, sondern die G 192 teilhaben“ – also alle UN-Mitgliedsstaaten.
Auch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sprach sich für einen Weltwirtschaftsrat aus. Sie warnte vor einer neuen Schuldenspirale der Entwicklungsländer und regte die Entwicklung eines neuen Mechanismus zum Abbau von Schulden an.
Das Schlusskommuniqué soll mehr Hilfen und Schuldenerlass für die ärmsten Nationen sowie mehr Regulierung risikoreicher Hedgefonds und Derivate fordern. ADRIENNE WOLTERSDORF