: Wenn Fußballer Domino spielen
GEBEUTELTER HSV Machtkämpfe kosten den Verein wichtige Führungskräfte: Nach Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer ging jetzt auch Nachwuchskoordinator Jens Todt. An der Basis beginnt es zu brodeln
VON ROGER REPPLINGER
Wenn ein Stein nach dem anderen fällt, dann ist das der Domino-Effekt. Das kann man derzeit beim Hamburger SV beobachten. Nach Dietmar Beiersdorfer – der Sportdirektor wurde Opfer eines vom Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann angezettelten Machtkampfs – gehen nun auch andere führende Mitarbeiter. So trat der seit Juni 2008 für den HSV arbeitende Nachwuchskoordinator Jens Todt zurück. Todt (39), in Hameln geboren, in der Bundesliga für den SC Freiburg, Werder Bremen und den VfB Stuttgart aktiv gewesen, Europameister 1996, war von Beiersdorfer eingestellt worden.
Als Todt den HSV verließ, steckte er in Verhandlungen mit Nachwuchsspielern: Da ist der 19-jährige Mittelfeldspieler Hanno Behrens, der maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt der Regionalligamannschaft hat. Todt versuchte auch, den Vertrag mit dem stark umworbenen U 17-Europameister Robert Labus zu verlängern.
So könnte Beiersdorfers Abschied, der Todts Rückzug nach sich zog, weitere Steine stürzen lassen. Die Stimmung im Verein ist entsprechend. „Die Fans sind unzufrieden, die Mitglieder sauer“, sagt Ralf Bednarek, der Vorsitzende der Abteilung Fördernde Mitglieder / Supporters. Schriftlich beantragte er die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Begründung: „Wir haben mit großer Bestürzung die Beendigung der Zusammenarbeit mit unserem Sportchef Dietmar Beiersdorfer zur Kenntnis genommen. In der Mitgliedschaft besteht aktuell große Sorge über die Zukunft des Vereins. Wir erhalten eine Vielzahl von Anfragen aus der Mitgliedschaft, die die Durchführung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Aufklärung über die Gründe, die zur Entscheidung des Aufsichtsrates geführt haben, erforderlich machen.“
Die jährlich stattfindende Informationsveranstaltung, dieses Jahr auf den 13. Juli gelegt, soll zu eben dieser Mitgliederversammlung umfunktioniert werden. Bednarek regt an, „aufgrund des zu erwartenden Interesses der Mitgliedschaft“, einen Raum zu wählen. Einige HSV-Mitglieder wollen bei dieser Gelegenheit mit Hoffmann abrechnen. Fraglich, ob der ihnen die Gelegenheit dazu einräumt.
Was Spielerverpflichtungen anbelangt, sieht es nicht gut aus. Die Verhandlungen, zum Teil schon weit gediehen, führte Beiersdorfer. Hoffmann ließ verlauten, dass sich der neue Trainer, Bruno Labbadia, stärker um dieses Thema kümmern soll. Am 4. Juli ist Trainingsauftakt. Hoffmann und Katja Krauss, zwei der drei verbliebenen Vorstände, müssen sich in diesen wirtschaftlich stacheligen Zeiten auf die Suche nach einem neuen Sponsor machen. Die HSH Nordbank, nur Dank steuerlicher Unterstützung im Milliardenhöhe nicht pleite, nutzt die Ausstiegsklausel und kündigt den eigentlich bis 2013 laufenden Vertrag. Der HSV bekam pro Jahr etwa fünf Millionen Euro dafür, dass er den Volkspark „HSH Nordbank Arena“ nannte. Findet der HSV einen neuen Sponsor, wird es, nach „AOL Arena“ und „HSH Nordbank Arena“ einen neuen Namen geben. Den man sich nicht merken muss.
Ähnlich ist es mit dem HSV-Aufsichtsrat Jörg F. Debatin. Der umtriebige Ärztliche Direktor des von allerlei Turbulenzen erschütterten UKE diagnostizierte im Hamburger Abendblatt Beiersdorfer und dessen „Starrsinnigkeit“ als Ursache für die Ereignisse, die den Verein beuteln. Den Vorwurf, Hoffmann behandele HSV-Mitarbeiter schlecht, konterte Debatin frech: „Es geht hier nicht um einen Beliebtheitswettbewerb.“ Zu Beiersdorfers Aussage, der HSV verliere seine Seele, erklärte Debatin: „Insgesamt muss man für die letzten Jahre feststellen, dass der HSV an Seele deutlich gewonnen hat.“ Debatin und Hoffmann stehen schon im OP, mit dem Skalpell in der Hand, beim Versuch, die Seele operativ zu entfernen. Die Anästhesie wirkt allerdings noch nicht.