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Archiv-Artikel

Die Paradies-Quader

Gongs für die Buddhisten, christliche Lichtschlitze: Ein „Religionshaus“ auf dem Teerhof

Von ede

bremen taz ■ Zwei Jahre hat der Architekturstudent Erkan Esen über seine Diplomarbeit, die Planung eines Hauses für Weltreligionen, nachgedacht. Auf der einst für Kultur freigehaltenen Fläche auf der Bremer Teerhofinsel sollte sie stehen. „Zentral.“ Die Diplomarbeit wurde mit dem Studienpreis des Bundes Deutscher Baumeister für angehende Architekten ausgezeichnet – kurz bevor das „Kulturdrittel“ auf dem Teerhof vergangene Woche vergeben worden ist.

Der Preis hat sich schließlich auch Esens Familie mit der sechsjährigen Studienzeit des Ältesten ausgesöhnt. Der 28-Jährige ist der erste Hochschulabsolvent in der Familiengeschichte. „Aber ich habe auch was richtiges gelernt“, wechselt Esen gelenk in die elterliche Perspektive. „Energieelektroniker.“ Wo Menschen nur technisch arbeiten, fühlt Esen sich nicht wohl.

Nachdenklichkeit, Reife und Lebenserfahrung merkt man der Arbeit des Diplomanden an, der sich zur Planung mit VertreterInnen des Christentums, des Islam, des Judentums, des Hinduismus und des Buddhismus in Bremen getroffen hat, um ihre Erwartungen an ein gemeinsames Gebetshaus kennen zu lernen, das den Dialog der Religionen fördern soll. Von dessen Notwendigkeit ist der Absolvent so fest überzeugt wie von seinem muslimischen Glauben – und der Überzeugung, dass Religionen Frieden bringen sollen. „Ein gemeinsames Haus würde das symbolisieren.“ Es wäre auch etwas Neues für Deutschland.

„Trostlose, multifunktionale Gebetsräume“ – das ist das Weitestgehende, was Esen hierzulande kennt. In Flughäfen, Krankenhäusern und an Autobahnen: Kahle Räume, die möglichst wenig Symbolik verwenden – damit sich niemand abgestoßen fühlt. Aber eben auch nicht aufgehoben – meint Esen. Diesen Räumen fehle alles, was Gläubigen unterschiedlichster Ausrichtungen die nötige Sinnlichkeit und Inspiration bieten könnte. Das berücksichtigt Esen in seiner Planung. Sogar für die religiös nicht Festgelegten hat er ein Plätzchen in seinem Gotteshaus-Entwurf frei gehalten. „So viele Menschen meiner Generation bekennen sich ja nicht wirklich.“

Irrationalität hat bei alldem in Esens Plänen keinen Raum. Im Gegenteil: Sein Entwurf für ein Gotteshaus ist von geometrischer Strenge und Analyse durchdrungen. In Sichtbeziehung zur evangelischen Martinikirche, hinter der schon der Dom aufsteigt, hat er es an die Weser platziert. „Glaube und Kultur gehören doch zusammen“, dachte er dabei ans Kulturdrittel. „Außerdem würde mein Entwurf doch gut ins Zentrum einer Kulturhauptstadt passen.“

Als Kubus, 15 Meter breit, 15 Meter hoch, hat Esen sich das Gotteshaus gedacht – bevor er die Betonstruktur auseinander nahm wie einen kantig aufgeplatzten Eiswürfel. Als habe Spannung – „wie die zwischen den Religionen“ – sie aufgesprengt, liegen fünf Blöcke eng nebeneinander – einen kleinen sechsten, in Echtgröße immerhin fünf Meter hoch, hat der Planer als Dachgarten obenauf gesetzt. Hier wäre Raum fürs Paradiesische. Und doch würde auch dieser kleinste Würfel, mit den anderen zusammengefügt, zum Ursprungs-Quader verschmelzen.

So lange sie aber auseinander stehen, sind die Türme akribisch justiert: Nach Osten haben die Einen die Gebetsnische, den anderen wurde die Synagoge nach Jerusalem ausgerichtet. Die Buddhisten bekamen Gongs und die Christen Lichtschlitze, die bei Sonnenschein ein Kreuz auf den Boden malen. Auch die Sichtschlitze für die anderen sind abgezählt: drei für die Christen „die Dreifaltigkeit“, vier für die Tempel von Buddhisten und Hinduisten, fünf für die Muslime. Und weil es beim Glauben auch um Ausstrahlung und bei Gebetshäusern um Besinnung geht, hat der Planer auf dem Teerhof Verse und Suren auf eckige Steine gemeißelt. Nur von der Idee, den Religionen Farben zuzuordnen, ist er abgekommen: Eine quietschbunte Betonburg hätte auf den Teerhof nicht gepasst.

ede